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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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erfahren; sie durfte es niemals erfahren. Denn wenn sie es wüsste, mochte es ihnen Versöhnung und gemeinsames Glück eintragen – oder es mochte einen neuen Krieg bringen, um die Sieben Satrapien zu verschlingen.
    »Hallo, Bruder«, sagte Gavin noch einmal. Er wappnete sich gegen die Antwort. Schließlich war auch sein Bruder ein Guile. Und im Gegensatz zu Gavin hatte er nichts anderes, worüber er nachdenken konnte, außer der Frage, was er bei Gavins nächstem Besuch zu ihm sagen würde. Das natürlich und … Fluchtpläne. Nach sechzehn Jahren hätten die meisten Männer aufgegeben, aber nicht so ein Guile.
    Das war ihr Vermächtnis: absoluter, unvernünftiger Glaube an ihre Überlegenheit über andere Männer. Herzlichen Dank, Vater.
    »Was willst du?«, fragte der Gefangene. Seine Stimme war rau, weil er sie so selten benutzte.
    »Wusstest du, dass ich während des Krieges einen Bastard gezeugt habe? Ich habe es erst vor einem Monat herausgefunden. Das war für mich eine ebenso große Überraschung wie für alle anderen, aber im Krieg passiert eben alles Mögliche, nicht wahr? Karris war natürlich außer sich. Einen Monat lang wollte sie nicht mehr das Bett mit mir teilen, aber, na ja … sich mit Karris wieder zu vertragen, ist jedes Mal so gut, dass ich immer in Versuchung bin, einen Streit mit ihr anzufangen.« Er hob den Blick und neigte den Kopf etwas, mit einem kurzen Lächeln, als genieße er die Erinnerung.
    Wenn man mit einem Guile zu tun hatte, war es wichtig, seine Lügen vorsichtig auszubreiten. Gavin hatte sich in dem, was er seinem Bruder über die Jahre erzählt hatte, ein neues Leben zugelegt. Darin waren er und Karris verheiratet, hatten aber keine Kinder – ein Kummer, der ständig an ihnen nagte, und eine Quelle des Konflikts mit seinem Vater, Andross Guile, der von ihm verlangte, Karris aufzugeben und sich eine Frau zu suchen, die ihm Erben gebar. Er ließ solche Details langsam durchsickern, widerwillig, und seinen Bruder daran arbeiten, sie ihm zu entreißen. Und stets kam es darauf an, genau zu beobachten, ob sein Bruder auf eine neue Lüge entweder verwirrt oder mit Verachtung reagierte.
    Der Gefangene sah ihn mit einem bösen Lächeln an. »Und wer war es? Kennst du überhaupt ihren Namen? Konnte sie es beweisen?«
    Er fischte im Trüben und hoffte, Gavin würde ihm etwas ohne Gegenleistung geben. Und er würde jeder Information misstrauen, die Gavin ihm aus freien Stücken gab. Doch der fuhr einfach fort: »Sein Gesicht ist Beweis genug. Er ist Sevastian wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    Der Gefangene wurde bleich. »Zieh Sevastian nicht in deine Lügen hinein, du Ungeheuer, wage es ja nicht.«
    »Wir haben den Jungen adoptiert. Er heißt Kip. Ist ein guter Junge. Klug. Talentiert. Ein bisschen unbeholfen, aber das wird sich auswachsen.«
    »Ich glaube dir nicht.« Der Gefangene sah aus, als sei ihm schlecht. Vielleicht glaubte er die Sache nicht, aber es fehlte auch nicht viel. »Wer ist die Mutter?«
    Gavin zuckte die Achseln, als ob das keine Rolle spiele. »Lina.«
    »Du lügst!«, knurrte der Gefangene und schlug mit der flachen Hand gegen das blaue Luxin, das sie trennte. »Den Bastard dieser Dirne hätte Karris niemals angenommen!« Das war echter Zorn, nach sechzehn Jahren in dem beruhigenden blauen Licht, und er war zu abrupt und zu brennend, um nicht echt zu sein.
    Das verriet Gavin dreierlei. Aber manche Ziele erreicht man am besten, indem man sie nicht direkt ansteuert. »Sie besaß eine Schatulle aus Rosenholz«, sagte er, »ungefähr so lang. Weißt du, was darin war?«
    Als er den Ausdruck sah, den das Gesicht des Gefangenen annahm, wusste Gavin, dass er einen Fehler gemacht hatte. Erst Erstaunen, dann Verwirrung, Hoffnung und schließlich Freude und Gelächter. Die Freude war echt. Der Gefangene lachte weiter, schüttelte den Kopf, mochte gar nicht aufhören zu lachen. Dann lehnte er sich zuversichtlich gegen das blaue Luxin zwischen ihnen. »Es gibt etwas, das mir mehr als alles andere zu schaffen macht«, erklärte der Gefangene. »Mehr als dein Verrat, mehr als deine Morde. Mehr als die Grausamkeit, mich einzukerkern, statt mich einfach zu töten. Mehr als die Tatsache, dass du mir Karris gestohlen hast. Mehr als alles andere zusammengenommen. Wie kommt es, dass es niemand bemerkt hat?«
    »Nein, nicht noch einmal, toter Mann«, erwiderte Gavin. »Wenn du nicht darüber reden willst – gut, dann werde ich gehen.«
    »Ich mache dir einen Vorschlag. Du

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