Schwarzes Prisma

ich Zorn ablege, bin ich Geduld«, sagte Infrarot. Er hob die Hände, und ohne in das Infrarot auch nur hineinzuschauen, war klar, dass er wandelte. Die Luft schimmerte vor Hitze rund um seinen ganzen Körper. »Orholams Wille geschehe.«
    Rot trat vor, nahm ihre Maske ab und stieg aus ihrer Robe. Sie war jung, athletisch, schön und ebenfalls nackt. Kips Augen weiteten sich. Er versuchte, den Blick auf ihr Gesicht zu konzentrieren.
    Eine ernste Zeremonie, Kip. Orholam schaut zu, Kip. Fahr direkt zur Hölle, Kip.
    »Ich streife Völlerei ab, ich bin Mäßigkeit«, sagte Rot. Sie hob die Hände, und rotes Luxin erblühte durch ihren ganzen Körper, ihre Augen, ihr Gesicht, ihren Hals hinunter zu ihren Brüsten, ihren Brustwarzen, dem festen, angespannten Bauch, den Brüsten, den Brustwarzen – Kip! Binnen eines Augenblicks war sie wie eine Statue, jeder Teil ihrer Haut in perfektes Rot getaucht. »Orholams Wille geschehe«, sagte sie.
    Orange trat vor. Ein Mann, glücklicherweise. »Ich streife Habgier ab, ich bin Barmherzigkeit«, sagte er. Er hob die Hände und drehte eine glänzende Orange. »Orholams Wille geschehe.«
    Gelb sagte: »Ich streife Faulheit ab, ich bin Fleiß. Orholams Wille geschehe.« Ihr Körper füllte sich mit glitzerndem gelbem Licht.
    Grün war eine beunruhigend kurvenreiche Frau, die Kip streng in die Augen sah. Das half, während sie ihr Gewand abstreifte. Er dachte, dass sie ihm vielleicht den Kopf abreißen würde, wenn er einen Blick auf ihre üppigen – hoppla. »Ich streife Begierde ab, ich bin Selbstbeherrschung«, sagte sie. »Orholams Wille geschehe.«
    Blau entkleidete sich. »Ich streife Neid ab, ich bin Güte«, sagte sie leise. »Orholams Wille geschehe.«
    Ultraviolett war der Letzte, und er war ungeheuer muskulös. »Ich streife Stolz ab, ich bin Demut«, sagte er mit donnernder Stimme. »Orholams Wille geschehe.«
    Wie eine einzige Person ließen sie alle die Hände sinken und deuteten damit auf Kips Füße. Reine Farben überfluteten den schwarzen Kreis, auf dem er stand. Der Boden begann unter seinen Füßen zu beben. Dann sank die steinerne Scheibe plötzlich in den Boden hinein – und Kip mit ihr.
    Binnen Sekunden war Kip bis zum Hintern versunken. Aber das Loch war zu eng. Sein Fett verfing sich an den scharfen Kanten des Bodens. Er musste sich winden, nur um hineinzupassen, und während er tiefer sank, musste er entweder den Bauch oder den Hintern an die Wand pressen.
    »Heb die rechte Hand«, sagte Ultraviolett.
    Als Kip das tat und dabei krampfhaft schluckte, sah er ein Seil von einer hohen Decke herabhängen. Ultraviolett fing das Seil auf und legte das verknotete Ende in Kips erhobene Hand.
    »Zieh an dem Seil, und es endet«, sagte der Mann. In seiner Stimme lag so etwas wie Freundlichkeit.
    Dann war Kip zur Gänze in dem Loch und sank immer noch tiefer hinab. Er hielt unterhalb des Bodens inne. Das Licht hoch über ihm in der Prüfungskammer erlosch. Kip konnte nichts mehr sehen.
    Er versuchte, tief Luft zu holen, aber die Kammer war so eng, dass er die Lunge nicht einmal mit einem vollen Atemzug füllen konnte.
    Über ihm waren leise Stimmen zu hören. »Dees, kannst du diese Prüfung für mich leiten?«
    Eine peinlich berührte Männerstimme antwortete: »Ich habe noch nie eine durchgeführt, Mylord. Wisst Ihr, ich denke, wir haben das Rohr zu schmal gemacht. Er ist dick. Er könnte ersticken.«
    »Er ist der Bastard des Prismas.«
    »Na und? Es ist nicht hier.«
    »Nun, Unfälle passieren. Aber ich darf nicht hier sein, wenn ein Unglück geschieht. Das Prisma weiß, dass ich ihn hasse. Euch kennt er nicht. Wenn also während Eurer Aufsicht ein Unfall passiert …«
    Kip konnte den Rest nicht hören, weil Wasser über seinen Kopf zu laufen begann. Kalt, zuerst ein Tröpfeln, dann ein stetiger Strom. Es lief ihm den Nacken hinunter bis zu der Stelle, an der er den Rücken gegen die Wand presste. Die Wände um ihn herum pulsierten in einem intensiven Blau. Lieber Orholam, sie würden ihn töten, um sich an seinem Vater zu rächen. Genauso, wie Gavin ihn gewarnt hatte.
    Das Wasser sammelte sich um seine Taille. Er war so fett, dass er das Rohr mit seinem Leib ganz verschloss. Kips Herz hämmerte. Das intensive Licht, das durch die Wände drang, brannte von Blau hinunter zu Grün, durch das ganze Spektrum in der richtigen Reihenfolge, sogar durch Hitze, und verblasste dann wieder zu nichts, als das Wasser Kips Hals erreichte.
    Dann die Ohren. Er drückte den