Schwarzes Prisma
Es war immer noch vollkommen schwarz. Kip schwitzte jetzt. Er saß hier drin fest. Es wurde von Sekunde zu Sekunde heißer, und er war immer noch tropfnass. Die Farben blitzten an ihm vorbei, erneut durch das ganze Spektrum.
So war das also. Sie sahen, dass er nicht aufgeben würde, also würden sie ihm keine weitere Chance mit den Farben geben.
Es spielte keine Rolle. Ich ziehe nicht an dem Seil. »Ich ziehe nicht an dem Seil!«, rief Kip. Oder versuchte es zu rufen; er war nicht sehr laut mit nur einem halben Atemzug.
Zur Antwort stieg der Boden noch weiter hinauf und presste ihn noch fester gegen die Riemen auf seinen Schultern. Kip schrie. Er klang wie ein Feigling.
Er konnte sich nicht einmal gegen die Riemen stemmen. Seine Knie waren zu weit gebeugt, als dass er sich eine Hebelwirkung hätte zunutze machen können. Wenn er einfach ein klein wenig an dem Seil zog, könnte er Luft holen, und dann könnte er weiter kämpfen.
Nein! Kip entspannte bewusst die Finger, den Arm. Er konzentrierte sich darauf zu atmen. Winzige, schnelle kleine Atemzüge.
Es war genug. Es würde genügen. Er würde dafür sorgen, dass es genügte.
Eine Abfolge von Farben rauschte an ihm vorbei. Kip scherte es nicht. Wurde von ihm erwartet, dass er etwas tat? Was? Wandeln? Klar. Verpisst euch.
Plötzlich ließ der Druck nach, und der Boden fiel in die Tiefe. Dann wurden die Wände weiter. Kip stürzte beinahe, aber nach einem Augenblick waren seine gummiweichen Beine in der Lage, sein Gewicht zu tragen. Die Wände zogen sich weiter zurück, noch weiter. Er versuchte, sich breitbeinig hinzustellen, aber jenseits seiner kleinen Scheibe war nichts als Luft.
Als er eine Hand ausstreckte, konnte Kip überhaupt keine Wände spüren. Eine Brise wehte über seine Haut und vermittelte ihm das Gefühl, in einiger Höhe zu stehen. Doch es musste eine Illusion sein, er befand sich mitten in der Schule. Auf keinen Fall war hier ein großes Loch.
Farben blitzten durch ferne Wände und erleuchteten für einen kurzen, schreckenerregenden Augenblick die Kammer. Kip stand über einem Abgrund. Seine Scheibe war die winzige, runde Oberfläche einer Säule: einer Säule, die allein mitten im Nichts stand. Die Wände waren dreißig Schritte entfernt. Die Decke über seinem Kopf hatte ein einziges Loch, durch das nur seine Hand ragte.
Wind umpeitschte ihn, und Kip umfasste das Seil so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Er presste die Augen zusammen, aber dann konnte er nicht erkennen, ob er sich mit dem Wind bewegte oder gegen ihn oder stillstand. Sein Herz hämmerte so heftig, dass er zwischen seinen ächzenden Atemzügen seinen eigenen Puls in den Ohren hören konnte. Er schrie Worte, aber er wusste nicht einmal, was sie waren.
Nach einer Ewigkeit kamen die Wände zurück. Sie schlossen sich fest, aber jetzt angenehm fest um ihn, und eine Welle der Erleichterung erfasste ihn. Er hatte es geschafft. Er hatte bestanden. Er hatte nicht aufgegeben. Er hatte nicht an dem Seil … etwas berührte sein Bein.
Was war das?
Es schlängelte sich um seinen Knöchel, wand sich um seine Wade. Eine Schlange. Kip schaute auf, und irgendein vielbeiniges Ding klatschte ihm aufs Gesicht.
Krampfartig hob er eine Hand, um eine Spinne wegzuschlagen, spürte aber, wie sich eine Fessel um sein Handgelenk schloss und seinen linken Arm wegzog und festhielt. Er versuchte, die Schlange von den Füßen zu schütteln. Schnapp, schnapp. Weitere Fesseln schlossen sich um seine Füße und rissen sie weit auseinander.
Kip schrie.
Die Spinne kroch ihm in den Mund.
Bevor er wusste, was er tat, biss Kip wild zu, zerquetschte die Spinne mit den Zähnen, und saurer Schleim spritzte ihm in den Mund. Er schrie abermals, schrie aus purem Trotz. Etwas landete in seinen Haaren. Dutzende glitschiger Dinger wanden sich um seine Füße, kletterten an seinen Beinen hinauf. Er verlor den Verstand.
»Ich ziehe nicht an dem Seil!«, rief er. »Ihr Bastarde, ich ziehe nicht an dem Seil!«
Kip bekam Krämpfe. Orholam sei ihm gnädig. Sein ganzer Körper war mit abscheulichen Dingen bedeckt. Er weinte, schrie – und die Erlösung lag in seiner Hand. Es gab nichts auszusetzen an Landwirtschaft. Niemand würde ihm sein Versagen vorhalten. Er brauchte diese Leute nie wieder zu sehen. Und was kümmerte es ihn überhaupt, was sie von ihm dachten? Das ganze Spiel war ohnehin gegen ihn gerichtet. Er war fertig. Es war vorüber.
Mit einem unmenschlichen Aufschrei griff Kip nach dem
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