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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Körper fest an die Seite der Kammer, und eine Bresche öffnete sich zwischen seiner Hüfte und der Wand. Das Wasser floss zu seinen Füßen hinab. Aber von oben kam neues nach.
    Für einige Sekunden war er in der Lage, sich immer wieder gegen die Wand zu drücken, so dass erneut Wasser abfloss, aber schon bald stand er ganz im Wasser. Wieder drückte er sich gegen die Wand, und es lief überhaupt kein Wasser mehr ab. Es war kein Platz mehr dafür.
    Das Wasser stieg ihm wieder bis zur linken Schulter, die unten festsaß, so wie seine rechte oben festsaß. Dann bis zum Hals. Zum linken Ohr.
    Er bemerkte es nicht, als die Wände ultraviolett pulsierten, aber dann durchliefen sie Blau bis Grün, als das Wasser ihm bis zum Kinn stieg, Gelb, als es seine Lippen berührte, Orange, als es seine Lippen bedeckte – fiel das Wasser jetzt langsamer auf seinen Kopf herab? Er atmete mehrmals durch die Nase tief ein und zappelte, um zu versuchen, die eingekeilte Position seines Körpers zu benutzen, um in dem Rohr höher hinaufzuklettern. Dann stellte er fest, dass sich Riemen über seine Schultern gelegt hatten, die ihn unten hielten.
    Das war Wahnsinn. Jemand versuchte, ihn zu töten. Kip musste die Glocke läuten. Seine Finger klammerten sich um das Seil. Er konnte es noch einmal versuchen, wenn kein Mörder in der Nähe war.
    Nein. Aufzuhören bedeutete, hinausgeworfen zu werden. Es bedeutete Scheitern.
    Er hatte kaum Zeit genug für einen letzten tiefen Atemzug, bevor sich das Wasser über seiner Nase schloss.
    Plötzlich brach der Zustrom von Wasser ab, das sich über seinen Kopf ergossen hatte. Kip konnte es sich jetzt vorstellen: »Er war so fett, dass er im Wasser festsaß. Es hätte nicht so hoch steigen sollen. Wir haben nicht so viel Wasser hineingekippt … er ist einfach in Panik geraten. Ihr wisst schon, ein Kind, gefangen und voller Angst. Er muss wohl sogar vergessen haben, am Seil zu ziehen.«
    Das war es also. Er hörte entweder auf und machte seinem Vater noch mehr Schande, als er das mit seiner bloßen Existenz ohnehin bereits tat, oder die Feinde seines Vaters taten ihr Bestes, um ihn zu töten.
    Während er den Atem anhielt und seine Lunge gerade zu brennen begann, nahm die Welt eine jähe, scharfe Klarheit an: Zieh am Seil, geh nach Hause.
    Aber es gab kein Zuhause. Also, zieh am Seil und geh auf den Bauernhof … Oder bleib und stirb vielleicht. Wenn er hier scheiterte, enttäuschte er seinen Vater und seine Mutter. Wenn er hier scheiterte, war er für immer ein Versager.
    Ich werde nicht an dem Seil ziehen.
    Die Kammer wurde schwarz. Das Wasser wurde heiß vom infraroten Licht, aber dann verblasste selbst das.
    Ich habe nichts übrig für Landwirtschaft. Kip hustete noch mehr von seiner Luft aus seiner Lunge und lachte, der Gedanke war so irrsinnig. Aber der Schmerz ließ den schrägen Humor schnell erlöschen. Er konnte sein Herz nicht dazu zwingen, langsamer zu schlagen. Er konnte seine Kehle nicht daran hindern, krampfhaft zu schlucken, seine Brust nicht daran hindern, umsonst zu pumpen. Ich ziehe nicht an dem Seil, verdammt sollt ihr alle sein. Ich ziehe nicht an dem Seil.
    Etwas bewegte sich. Zuerst dachte Kip, das Wasser fließe ab, aber so war es nicht. Der Boden unter ihm hob sich, doch die Riemen über seinen Schultern blieben, wo sie waren, und hielten ihn fest. Statt abzufließen, stieg das Wasser einfach bis zu seinem erhobenen Arm empor. Binnen weniger Augenblicke wurde er niedergezwungen, auf seine Knie gedrückt. Er hustete, und der letzte Rest seiner Luft entwich in großen Blasen durchs Wasser.
    Er versuchte, sich an nichts festzuhalten. Wasser einzuatmen würde schlimmer sein, als überhaupt nicht zu atmen, das wusste er. Er wusste es, und doch überwältigte sein Körper ihn, und er schnappte nach Luft. Das Wasser war heiß, scharf und beißend in seiner Lunge. Er würgte, beugte sich noch tiefer über seine eigenen Knie, während sein Körper sich selbst zerriss. Er hustete, und wunderbarerweise schoss Wasser aus seinem Mund in die Luft, gesegnete, herrliche, freie, wunderschöne Luft!
    Keuchend, spuckend, würgend und immer noch zu einem Ball zusammengepresst, atmete Kip. Er konnte atmen! Größtenteils. Seine Knie schmerzten, weil er sich fester zusammengeballt hatte, als seine nicht besonders flexiblen Gelenke es zuließen. Sein Rücken schmerzte. Seine Rippen schmerzten. Aber Orholam, die Luft tat gut. Wenn er doch nur einen vollen Atemzug bekommen könnte …
    Nichts geschah.

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