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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Seil. Mit all seiner Verachtung, seinem Zorn und seiner Verzweiflung, die in ihm aufstiegen, die ihn vollkommen überwältigten, das Versagen vor Augen – warf er es aus dem Loch. Er sank gegen die Wand, begrub das Gesicht im Stein und weinte.
    Wieder blitzten Farben an ihm vorbei, aber die Schlangen und Spinnen gingen nicht weg. Sie bedeckten seinen Körper.
    Die bedrückende Dunkelheit dauerte an. Etwas Schweres, Behaartes landete auf seinem Rücken. Kleine Krallen durchstachen sein Hemd. Eine Ratte. Dann eine auf seinem Oberschenkel. Eine weitere landete auf seinem Kopf und kratzte ihn, als sie von seinem nassen Haar glitt.
    Kip erstarrte. Angst schoss wie Blitze durch seinen Körper. Er war in einem Schrank, hilflos, verhungernd, verdurstend. Er zitterte unkontrollierbar.
    Seine Bewegung störte die widerlichen kleinen Gräuel, und etwas biss ihn. Er heulte auf, gedemütigt, zornig. Er drehte sich. Weitere stechende Bisse, brennende Bisse bedeckten seine Arme, seine Beine, seine Lenden, seinen Rücken. Kip schlug um sich und warf sich gegen die eine Wand und dann gegen die andere und versuchte, die Tiere zu zerquetschen. Ratten kletterten an allen Seiten an ihm hinauf, und sie weigerten sich, von ihm abzulassen. Er weinte. Er schämte sich so sehr. Da war irgendetwas mit der Spinne. Mit der Spinne, die er zerbissen hatte.
    Es war zu viel. Er konnte nicht mehr ertragen. Er war am Ende. Kip konnte sich nicht daran hindern. Er griff nach dem Seil. Er war ein Versager, eine Schande, ein fetter, greinender Feigling. Ein Nichts.
    Er spürte, wie ihm das Seil wieder in die Hand gedrückt wurde. »Bitte schön, Pummelchen«, flüsterte eine befriedigte Stimme. Der Geschmack, Kip. Der Geschmack war falsch, sagte eine freundliche Stimme.
    Was die Frau gesagt hatte, drang nicht recht zu ihm durch. Sie waren alle über ihm.
    Kip zog an dem Seil.
    Ein fernes Klirren, hoch über ihm. Sofort hörte das Brennen auf. Sämtliche gleitenden, kriechenden, klebenden, brennenden Dinge lösten sich auf, verschwanden. Sie waren nicht real. Es waren keine echten Ratten gewesen. Die Spinne, die er zerbissen hatte, hätte es Kip verraten sollen. Er hätte es gewusst, wäre er nicht ein solcher Feigling gewesen. Der Schleim in ihr, das waren keine Eingeweide gewesen, sondern Luxin. Es waren alles Illusionen, unechte Ängste. Er war überlistet worden.
    Er war gescheitert. Als die Plattform in die Höhe stieg, begriff Kips Gehirn – nicht länger umnebelt von Entsetzen –, wie die Frau ihn genannt hatte: »Pummelchen.« So hatte Ram ihn früher genannt. Kip starb einen kleinen Tod. Er hatte bewiesen, dass Ram recht hatte. Wieder einmal.
    Als er jedoch auftauchte, waren die Männer und Frauen in Festroben ihrer jeweiligen Farben gekleidet, blendenden Tönen von Saphirblau, Smaragdgrün, Diamantgelb, Rubinrot. Sie wirkten euphorisch.
    »Herzlichen Glückwunsch!«, sagte Mistress Varidos und trat in den Kreis.
    Kip starrte sie sprachlos an.
    »Vier Minuten und zwölf Sekunden. Du solltest sehr stolz auf dich sein. Ich bin mir sicher, dass dein Vater es sein wird.«
    Sie sprach eine Sprache, die Kip nicht verstand. Stolz? Er hatte versagt. Er hatte sich selbst Schande gemacht, hatte seinem Vater Schande gemacht. Er hatte aufgegeben. Der Zorn und die Frustration, die sich in ihm aufgebaut hatten, konnten plötzlich nirgendwohin, und er fühlte sich nur noch dumm.
    »Ich habe versagt«, murmelte Kip.
    »Alle versagen!«, erklärte der unglaublich muskulöse Ultraviolette. »Du hast deine Sache großartig gemacht! Vier Minuten und zwölf Sekunden! Ich habe mich nur eine Minute und sechs Sekunden gehalten.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Kip.
    Die nymphenhafte Gelbe lachte. »So ist die Prüfung ausgelegt. Wir haben alle versagt.«
    Sie umringten ihn, die Männer schlugen ihm auf den Rücken, die Frauen berührten seine Arme oder seine Schultern, und sie alle gratulierten ihm. Es war ein wenig berauschend, so aufrichtig von Menschen willkommen geheißen zu werden, die so schön waren. Jetzt, da sein Gehirn wieder funktionierte, bemerkte er, dass sie nicht zwangsläufig Männer als Repräsentanten der alten Götter und Frauen als Repräsentantinnen der Göttinnen ausgewählt hatten. Lag das daran, dass sie so weit gekommen waren, dass es einfach keine Rolle mehr spielte, oder war es eine vorsätzliche Respektlosigkeit?
    »Ist das wahr?«, fragte Kip Mistress Varidos, die ein wenig abseits stand, damit die wilde Menge sie nicht umwarf. »Alle

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