- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Staatssekretär Littek machte keine Fehler, und er tat viel dafür, dass dies jeder wusste. Doch der Nimbus bekam Kratzer. Bisher waren es nur kleine Pannen, verwechselte Namen, ein verspätetes Eintreffen bei einem Meeting. Es waren unbedeutende Fehler, die jeder machte und die den Erfolg der Operation nicht gefährdeten, aber sie konnten Litteks Ruf schaden, und das quälte ihn mehr als das Sodbrennen der letzten Tage. Auch das war ein Anzeichen dafür, dass er zu viel arbeitete und zu wenig schlief. Die Jagd auf Meph dauerte nun schon fast zwei Wochen, und jeder Tag war anstrengender als der vorhergehende.
Dabei hatte alles so einfach ausgesehen: ein Gefährder gegen die gesamte Macht des IKM. Littek war von einem, höchstens zwei Tagen bis zur Pressekonferenz anlässlich von Mephs Verhaftung ausgegangen. Um das öffentliche Interesse auf sich zu richten, hatte er den Erfolg der Operation so eng wie möglich an seine Person geknüpft. Zwar lastete so die meiste Arbeit auf seinen Schultern, doch Littek schuftete gerne ein paar Tage durch, wenn es sich lohnte. Jetzt ging ein weiterer Achtzehn-Stunden-Tag zu Ende, seine kleinen runden Wachmacher waren aufgebraucht, und die Sätze, die er für die Pressekonferenz vorbereitet hatte, setzten unterdessen auf seinem Pod Staub an.
Aber am schlimmsten war Litteks Angst, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Dass er sich Mephs Fall unwiderruflich zu eigen gemacht hatte, war ein zweischneidiges Schwert. Wie auch immer die Sache ausging, der Name des Verantwortlichen würde Alfons Littek lauten.
Er setzte seine Gesichtsmuskeln in Bewegung und zog die Mundwinkel hoch. Ihm war immer bewusst gewesen, dass die Durststrecke lang und öde sein würde. Seit mehr als drei Jahren balancierte er nun schon die Ansprüche zweier unnachgiebiger Dienstherren gegeneinander aus. Er war die rechte Hand des mächtigsten Mannes im Staat und hinter dessen Rücken der diskrete Interessenvertreter des Podkonsortiums. Leicht war es noch nie gewesen, und er war schon mit ganz anderen Problemen fertiggeworden. Meph würde bald gefasst werden. Dann hatte Littek das Heft wieder in der Hand und musste nur noch dafür sorgen, dass Westphal endlich seinen Sessel freimachte.
Littek bedauerte, dass Westphal keine Ambitionen mehr hatte. Früher, als er noch der ehrgeizigste Mensch im Land gewesen war, hatte er das Herzogtum namens IKM geschaffen, in dessen Belange er sich auch heute noch von niemandem reinreden ließ. Aber kurze Zeit später waren ihm die Ziele ausgegangen. Das Ausschlagen der Kanzlerkandidatur hatte Littek für einen raffinierten Schachzug gehalten, für einen Bluff, mit dem Westphal die Angebote in die Höhe treiben wollte, aber irgendwann hatte Littek begriffen, dass Westphal es ernst gemeint hatte. Er würde seinen Platz nicht mehr räumen; er war genau da, wo er sein wollte.
Leider hatte Littek sich zu dieser Zeit längst als Westphals potenzieller Nachfolger positioniert. Infolgedessen hatte er begonnen, nach Verbündeten für einen Putsch zu suchen und war dabei auf Siemens-Chrome gestoßen. Für ein größeres Stück vom Kuchen der Landessicherheit würden sie genüsslich die Hand abbeißen, die sie gefüttert hatte.
Als er sein Versteck verließ, blieb sein Lächeln von allein auf seinem Gesicht.
Sein lavaroter Porsche stand auf dem zweiten Platz links vom Aufzug, gleich hinter Westphals Privatstellplatz. Der Minister besaß kein eigenes Auto, aber kein IKM-Mitarbeiter, nicht einmal Littek, hatte je die Unverfrorenheit besessen, auf dem Platz des Ministers zu parken. Zumindest war das bis heute der Fall gewesen. Staunend betrachtete Littek den Audi, der Westphals Stellplatz besetzte. Er wusste, wem das Fahrzeug gehörte. Was er nicht wusste, war, warum Stephans hier parkte anstatt auf seinem eigenen Platz weiter hinten, und warum er sich nicht bei ihm gemeldet hatte, wie es Littek angeordnet hatte.
Nachdem Westphal sich mit Stephans und ohne jedwede Erklärung aus dem Staub gemacht hatte, war Littek allein ins Ministerium zurückgekehrt, um die Scherben aufzufegen, die Mephs Angriff hinterlassen hatte. Das war eine undankbare Arbeit, und Litteks Formtief machte sie nur noch unangenehmer. Erst nach mehr als einer Stunde setzte Stephans den Minister ab und fuhr sofort weiter, natürlich wieder, ohne mit ihm Rücksprache zu halten, obwohl Littek ihm in der Zwischenzeit einige deutliche Nachrichten geschickt hatte. Auch Westphal hatte es nicht für nötig gehalten, ihm
Weitere Kostenlose Bücher