- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Benutzers verknüpft wurden. Eine jungfräuliche Kennung ist wie ein Reisepass mit einem offiziellen Stempel, aber ohne Namen, Foto und biometrische Daten. In einen solchen Blankopass können Sie eintragen, was Sie wollen. Genauso verhält es sich mit einer jungfräulichen Kennung. Man verknüpft sie mit dem eigenen Fingerabdruck und kann sich fortan unter fremdem Namen im Netz bewegen. Oder man lässt den Fingerabdruck weg und erhält einen sogenannten Cheat, eine anonyme Kennung, die jeder benutzen kann.«
»Und Sie glauben, dass Effenberger in den Besitz von jungfräulichen Kennungen gelangt ist, die bei dem genannten Zwischenfall gestohlen worden sind?«, erkundigte sich Westphal.
»Ja. Er oder die Person, von der das A-Modul stammt.«
»Angenommen, Sie haben recht«, warf Littek ein. »Wie erklären Sie sich dann, dass die gestohlenen Kennungen noch gültig sind? Ihre ID-Nummern müssten doch längst gesperrt worden sein.«
»Sind uns die Nummern denn bekannt? Vielleicht wurden die Server so gründlich gegen die Wand gefahren, dass jegliche Informationen über die gestohlenen Kennungen verloren gingen. Wissen Sie mehr darüber?«
Die Frage war an Westphal gerichtet, der sie geflissentlich ignorierte. »Das heißt also, dass er jede Kennung nur ein paar Minuten lang benutzen kann und danach nie wieder, weil wir sie dann kennen. Seine anonyme Onlinezeit hängt also von der Anzahl der Kennungen ab, über die er verfügt. Wissen wir, wie viele das sind?«
»Nicht ohne eine Angabe, wie viele vor drei Jahren überhaupt gestohlen wurden«, antwortete Stephans.
»Verstehe.« Der Minister tippte auf seinem Pad herum.
Stephans runzelte die Stirn. »Verzeihung, wollen Sie mir nicht sagen, wie groß diese Zahl ist?«
»Nein.«
»Können Sie dann immerhin bestätigen, ob die Theorie eines Datendiebstahls an sich korrekt ist? Falls der Servercrash tatsächlich nur ein Unfall war, brauche ich mich damit nicht weiter zu beschäftigen.«
»Für diese Information haben Sie nicht die erforderliche Sicherheitsfreigabe«, erklärte Westphal.
»Ich dachte, angesichts der aktuellen Lage machen Sie vielleicht eine Ausnahme.« Stephans setzte ein schiefes Grinsen auf.
Westphal musterte ihn kühl. »Wollen Sie mich etwa dazu auffordern, Regeln und Gesetze zu brechen, auf deren Einhaltung ich einen Eid geleistet habe?«
»Äh, nein, natürlich nicht. Ich …« Stephans warf hilflos die Arme in die Luft. »Wir ziehen doch alle an einem Strang, nicht wahr? Ich will zur Lösung dieses Falles beitragen, und dafür brauche ich bestimmte Informationen. Wenn es nicht anders geht, könnten Sie mir die notwendige Freigabe auch einfach erteilen.«
»Ich werde es in Betracht ziehen.« Das war alles, was Westphal dazu sagte.
Stephans sank in seinen Sessel zurück und bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen. Der Versuch scheiterte vollends, als Westphal Littek freie Hand bei der Suche nach Effenberger erteilte. Der Kommissar hatte tatsächlich geglaubt, dass der Minister seinen Argumenten vielleicht Gehör schenken würde, anstatt wie üblich seinen Kettenhund loszulassen.
Nachdem Westphal Littek einige Richtlinien für dessen Fahndungsstrategie diktiert hatte, entließ er ihn, forderte Stephans jedoch auf zu bleiben. Als sie alleine waren, beugte er sich vor und musterte ihn. Der Kommissar erwiderte den Blick, so offen er konnte, und fragte sich, was Westphal von ihm wollte.
Zu seiner Überraschung begann der Minister mit einem Lob. »Wie Sie Cassandros Versteck ermittelt haben, war gute Arbeit, Stephans. Sie leisten viel unter schwierigen Bedingungen. Sie sollen wissen, dass ich das schätze.«
»Es freut mich, das zu hören.« Stephans fragte sich, ob Westphal mit den schwierigen Bedingungen die Zusammenarbeit mit Littek meinte. Wusste er von den Methoden des Staatssekretärs? Wenn ja, warum schenkte er ihm dann nach wie vor sein Vertrauen? Stephans nahm sich vor, darüber mit Fenninger zu sprechen.
Fenninger! »Das Lob gebührt jedoch nicht mir allein, Herr Minister. Matthias Fenninger aus der Datenbeschaffung hatte ebenfalls Anteil daran, dass wir den Schattenmenschen aufspüren konnten.«
»Fenninger. Ist das nicht ein alter Freund von Ihnen?«, fragte Westphal. »Wenn ich mich recht erinnere, hat er sich in der Personalabteilung für Sie stark gemacht.«
»Er hat viel für mich getan. Ich warte noch auf die Gelegenheit, es ihm zu vergelten.«
»Hiermit nehme ich seinen Beitrag in dieser Angelegenheit zur Kenntnis.
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