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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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behaglichem Nachsinnen, versöhnenden, ausgleichenden Bildern hin? Woran dachte er, daß er überhaupt im Stande war, noch etwas Anderes zu denken, als den schrecklichen Moment, wo er des Dolches Spitze gegen die klopfende Brust gezückt? Wer sollte es glauben: er dachte an denjenigen, der ihm den Stahl aus der Faust gerissen; er dachte an den Jäger Franz und an dessen Lebensgeschichte, die dieser ihm morgen zu erzählen sich verpflichtet. Er erwartete davon etwas Besonderes, Aufregendes, ihn Zerstreuendes, ohne doch selbst zu wissen, in wie fern des jungen, bisher für unbedeutend gehaltenen, wenn auch mit Vorliebe behandelten Burschen Schicksale, auf seine Stimmung günstige Einwirkung üben sollten? Genug, Emil gehörte dem Leben schon wieder so weit, daß der Lebenslauf eines Fremden ihm wichtig dünkte.
    Womit wäre doch manches Menschen Herz passend zu vergleichen? Das alte abgenützte Gleichniß vom Meere, bis in dessen tiefste Abgründe jetzt der Sturm wühlt und welches, von ihm getrieben, tobt und raset, um sodann wiederum der hellen Sonne einen reinen glatten Spiegel zu zeigen, – es paßt nicht; es taugt nichts; denn nach jedem ernsten Sturme braucht es mindestens Tage, ja Wochen, bis die Wellen sich wieder legen und lächelnder Friede in des Meeres Schoos zurückkehrt. Aber manches Menschen Herz zuckt in stürmischen Krämpfen, als wollt' es bersten, und kaum hat der Krampf nur Minuten lang nachgelassen, so ist es auch schon das alte, weiche, jedem Eindruck empfängliche Herz, allen guten und schlimmen, allen wichtigen und nichtigen Eindrücken und Regungen geöffnet und hingegeben.
    Es sind nicht die schlechtesten Herzen, die der Schöpfer also gebildet – aber die zuversichtlichsten, tüchtigsten sind es wahrlich auch nicht. Es ist kein rechter Verlaß auf sie, weder für Haß, noch für Liebe. Sie drohen sich Gefahr und Andern!
    Emil gehörte zu Jenen, die ein solches im Busen tragen. In welche Gefahren es ihn selbst gezogen, haben wir bereits beim Anfang dieser Geschichte gesehen; in welche Verwickelungen es alle diejenigen ziehen wird, mit denen er in nähere Berührung kommt, soll uns die Folge lehren.
    Für heute trübte keine Ahnung düst'rer Zukunft beider Gatten Ruhe. Agnes athmete in milder Heiterkeit auf, – seit Monden zum Erstenmale! – und Emil gab sich der beschwichtigenden Rückwirkung dieser Heiterkeit so willig hin, daß die kurzvergangenen Stunden schon wie eben so viele Jahre hinter ihm lagen. Sie trennten sich, da sie zur Ruhe gingen, mit einem an Zärtlichkeit streifenden Gefühle, worüber Beide, da Jedes in seinem Schlafgemache sich allein überlassen war, sich freuten. Es glich dieß Gefühl dem Streifen Abendroth, der am trüben Himmel einen doch vielleicht erträglichen Morgen und Tag verspricht.
    Agnes, als städtische Langschläferin, welche sie auch in Schwarzwaldau verblieben, ließ noch in späten Träumen die gestrigen Theestunden an sich vorüber dämmern und sammelte sich erst nach und nach zu klarem Besinnen, daß sie sich vorgenommen habe, Carolinens Gastzimmer recht hübsch und wohnlich einzurichten, . . . da zog Emil schon mit Franz durch tiefen Wald. Sie waren stumm und ernst. Auch Emil. Die leichtsinnige Aufwallung, in welcher gestern alle Selbstmordgedanken so unbegreiflich schnell verschwammen, hatte sich beim Erwachen gelegt; des Augenblickes Täuschung hielt der langeingewurzelten Gewißheit seines selbstgeschaffenen Leidens nicht mehr Stand; er war wieder, was er seit Jahren gewesen: der an Lebensunmuth krankende Herr, dem jetzt sogar die begehrte Lebensgeschichte des jüngeren Dieners nicht mehr besonders wichtig schien, denn er ging vor Jenem her, ohne Halt zu machen, ohne das Gespräch zu beginnen. Franz folgte wie ein Diener, der gehorcht, der aber seinen Herrn geringschätzt. Und das that er wirklich. Er sah in Emil einen verweichlichten Menschen, ohne festen Character, ohne energischen Willen, ohne ausdauernde Consequenz. Selbst der leichte Sieg, den er über ihn davongetragen, als er die Todeswaffe dem schwachen Arme entriß, trug zu dieser Geringschätzung bei. Franz war eine kräftigere Natur, war, obwohl noch Jüngling, mehr berechtiget, sich Mann zu nennen, als der um sechs Jahre Aeltere. Dieß Bewußtsein verlieh ihm moralisches Uebergewicht; auf dieses trotzend schritt er mit kecker Zuversicht der bevorstehenden Auseinandersetzung ihrer Verhältnisse entgegen.
    Schweigend gingen sie bis an die äußerste Grenze des Schwarzwaldauer

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