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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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angeboten hat, die Rolle des Helden zu übernehmen, hat er sofort zugegriffen. Ich habe alles versucht, um es ihm auszureden, aber Max hatte ihn so heiß darauf gemacht, den James Bond zu spielen, dass ich keine Chance hatte.«
    »Aber warum wollte Max ausgerechnet Dad für den Job? Das FBI hat doch bestimmt genügend Agenten, die exakt für so einen Fall ausgebildet sind.«
    »Dass dein Vater keinerlei Verbindungen zum Geheimdienst hat, ist genau der Punkt, der ihn so nützlich macht«, erklärte Mom. »Er arbeitet schon seit Jahren für Southern Skyways. Es war viel erfolgversprechender, einen vertrauenswürdigen Mitarbeiter als Maulwurf anzuheuern, als zu versuchen, von außen jemanden einzuschleusen.«
    »Hoffentlich dauert der Prozess nicht mehr lange«, seufzte ich. »Ich muss unbedingt rechtzeitig zu Steves Abschlussfeier zurück sein.«
    »So lange wird er nicht mehr gehen«, sagte Mom zuversichtlich. »Die Verhandlung läuft jetzt schon seit einer Woche.«
    Wie sich herausstellte, irrte sie sich gewaltig. Wir mussten ganze zweieinhalb Wochen im Mayflower bleiben. Der Reiz des Neuen nutzte sich schnell ab und war bereits nach wenigen Tagen einer schier unerträglichen Eintönigkeit gewichen. Wenn ich morgens aufwachte, vergaß ich für einen winzigen Moment, dass ich nicht in meinem »Prinzessinnengemach« lag. Bis ich schließlich die Augen öffnete und die Wirklichkeit mich wie ein Hammerschlag traf. Wenn ich dann zu dem anderen Bett hinüberschaute, sah ich Mom meistens an die Decke starren, während Bram, der sich das Bett mit ihr teilte, neben ihr auf dem Rücken lag und noch leise schnarchte. Weil es keinen echten Grund gab, aufzustehen, blieben Mom und ich einfach liegen, wissend, dass die andere ebenfalls wach dalag, es aber nichts gab, worüber wir uns hätten unterhalten können, bis Bram irgendwann aufwachte und wir Frühstück bestellen konnten.
    Unsere Mahlzeiten waren die Highlights des Tages. Sogar ich, die morgens sonst kaum etwas runterbekam, wartete ungeduldig darauf, dass endlich der Zimmerservice kam. Jim erlaubte uns, zu bestellen, was wir wollten, und Bram und ich probierten die ganze Speisekarte durch. Auch Mom legte alle Zurückhaltung ab und bestellte jeden Tag Fisch oder Meeresfrüchte und fing sogar an, zum Abendessen Wein zu trinken. Und jeder von uns vieren stürzte sich auf den Nachtisch, als gäbe es kein Morgen. Am Ende der ersten Woche fing meine Jeans an zu kneifen und am Ende der zweiten bekam ich den Knopf nicht mehr zu und musste mein T-Shirt über den Hosenbund hängen lassen.
    Aber das Schlimmste war die Langeweile. Bram war schon immer hyperaktiv gewesen und konnte keine zehn Minuten stillsitzen, und ich war es gewohnt, täglich Sport zu machen und viel Zeit mit meinen Freunden zu verbringen. Mom war sonst den ganzen Tag allein zu Hause und schrieb. Ohne ihren Computer und ihre Arbeit zu sein, setzte ihr mehr zu, als auf ihre Bewegungsfreiheit verzichten zu müssen.
    Schließlich fing sie aus Verzweiflung an, von Hand zu schreiben. Sie saß am Schreibtisch in unserem Schlafzimmer, füllte Seite um Seite des hoteleigenen Briefpapiers und schien nichts von dem Jubeln oder enttäuschten Stöhnen mitzubekommen, das die Kandidaten in Brams Fernsehshows ausstießen. Während Bram seine Sendungen im Schlafzimmer schaute, guckten Jim und ich Soaps im Wohnzimmer, und abends sahen wir alle zusammen Filme und Sitcoms. Während der achtzehn Tage dort waren die einzigen Menschen, mit denen wir Kontakt hatten, die Zimmermädchen und die Kellner.
    Aber schlimmer noch als die Tage waren die Nächte. Obwohl ich mit jedem Tag träger wurde, war ich fast nie müde. Ich lag im Bett und wartete auf den Schlaf, während ich versuchte, die Geräusche des Hotels auszublenden: das Wasserrauschen der Toilettenspülung in den benachbarten Badezimmern, das Stimmengemurmel, wenn andere Gäste den Flur entlanggingen, Musik und Gelächter, das von der Bar im Innenhof nach oben drang. Die Geräusche klangen bei Nacht viel intensiver, und je verzweifelter ich sie zu ignorieren versuchte, desto lauter wurden sie. Manchmal bildete ich mir sogar ein, das Knarren und Ächzen der Betten zu hören, wenn sich jemand in den Zimmern über und unter uns auf den unvertrauten Matratzen wälzte.
    Weil Mom, Bram und ich die Suite nicht verlassen durften, nutzten wir den Wäscheservice, den das Hotel anbot, und Jim versorgte uns in den Boutiquen in der Lobby mit allem, was wir an zusätzlicher Kleidung brauchten.

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