Schweig um dein Leben
Wenn sonst irgendetwas ausging, besorgte er auch das – Deo, Zahnpasta, einmal sogar, was mir extrem peinlich war, eine Schachtel Tampons. Und jeden Morgen und Abend ging er nach unten und kaufte Zeitungen. Sobald er zurück war, riss Mom sie ihm förmlich aus der Hand und scannte jede Seite nach Neuigkeiten zum Prozess. Während sich die Verhandlung in die Länge zog, wurden die Artikel darüber immer kürzer, bis sie irgendwann nur noch eine Randnotiz wert war. Erst als sich die Geschworenen zur Beratung zurückzogen, schaffte es die Story wieder auf Seite eins.
Gleich nachdem das Urteil verkündet worden war, rief Max uns an. Es war früher Nachmittag und ich saß gerade auf dem Balkon und sonnte mich. Das Klingeln des Telefons war so unerwartet, dass ich einen Moment brauchte, um es zu realisieren, aber dann stürzte ich wie von der Tarantel gestochen ins Wohnzimmer, wo Jim das Telefon bereits am Ohr hatte.
»Ja?«, meldete er sich und hörte einen Augenblick zu, bevor er fortfuhr: »Wie wir es erwartet haben. Willst du es ihr selbst sagen oder soll ich das übernehmen?« Er hielt kurz inne, dann reichte er Mom das Telefon. »Es ist Max. Die Geschworenen sind soeben zurückgekehrt. Das Urteil lautet: schuldig.«
Moms Gesicht hellte sich sofort auf. »Gott sei Dank!«, rief sie und nahm ihm den Hörer aus der Hand. »Max, ist es wirklich vorbei? Ist George schon auf dem Weg nach Hause?« Während sie zuhörte, verlor ihr Lächeln seinen Glanz. »Ja, natürlich werden die Anwälte Berufung einlegen, davon war auszugehen, aber was hat das mit George zu tun? Warum muss er weiterhin vor Ort bleiben?«
Dieses Mal hielt ihr Schweigen deutlich länger an. Zwischen ihren Brauen bildete sich eine steile Falte, und sie begann, ungeduldig mit den Fingern auf den Couchtisch zu trommeln. »Aber das ergibt doch alles keinen Sinn«, sagte sie schließlich. »Loftin kann diese Drohbriefe unmöglich vom Gefängnis aus geschrieben haben.« Sie schwieg erneut. »Könnt ihr sie denn nicht zurückverfolgen? Ist das nicht verdammt noch mal euer Job?« Wieder Schweigen. »Dann wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, aber ich verstehe nicht, warum du uns das nicht früher gesagt hast.« Sie legte auf und Bram stieß einen aufgeregten Schrei aus.
»Fahren wir nach Hause? Kann ich heute Abend in meinem Bett schlafen?«
»Ich fürchte, nein, Schatz.« Moms Stimme klang angespannt und hatte einen seltsamen Unterton. »Dad hat Drohbriefe erhalten, und Max hält es für besser, wenn wir hierbleiben, bis sie herausgefunden haben, von wem sie stammen.«
»Aber nächste Woche ist Steves Abschlussfeier!«, rief ich. »Bis dahin muss ich zurück sein!«
Mom zog hilflos die Schultern hoch. »Es tut mir leid, Liebes, daraus wird nichts.«
»Aber du hast es versprochen!«, sagte ich verzweifelt.
»Ich habe gar nichts versprochen. Ich habe lediglich gesagt, dass ich denke, dass wir bis dahin wieder zu Hause sind.«
»Soll das heißen, dass wir jetzt lebenslänglich hier eingesperrt sind, nur wegen ein paar dämlichen Briefen? Wir wissen doch noch nicht mal, ob sie wirklich ernst gemeint sind. Man hört schließlich immer wieder von irgendwelchen durchgeknallten Irren, die kranke Briefe an Leute schreiben, deren Namen in der Zeitung steht!«
»Schrei mich nicht an, April!«, sagte Mom aufgebracht. »Das ertrag ich einfach nicht. Du bist nicht die Einzige, die nach Hause möchte. Anfang August muss ich mein Buch im Verlag abgeben.«
»Dann gibst du eben später ab!«, entgegnete ich wütend. »Sie veröffentlichen es doch trotzdem! Ich bin diejenige, die alles verpasst – zuerst den Ball und dann Steves Abschlussfeier –, und jetzt sitzen wir hier womöglich den ganzen Sommer fest. Steve wird denken, dass ich nie wieder zurückkomme. Wenn Jim mich nicht mit ihm reden lässt, dreh ich durch!«
Ich rannte ins Schlafzimmer und knallte die Tür hinter mir zu, warf mich aufs Bett und brach in Tränen aus. Mom war normalerweise ziemlich cool und ließ sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Ich kapierte einfach nicht, warum sie diesen Briefen so viel Bedeutung beimaß. Der Prozess war vorbei, warum sollte uns also irgendjemand noch etwas antun wollen? Gab es überhaupt einen Beweis dafür, dass wir jemals in Gefahr gewesen waren? Es wurde geschossen, aber niemand wurde verletzt, und vielleicht war das auch nie beabsichtigt, sondern nur als Warnung gedacht gewesen, um Dad einzuschüchtern.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dalag und
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