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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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tiefer gelegenen Pool zuzuschauen.
    Am Samstagnachmittag stand Jim plötzlich vor mir auf dem Balkon. »Findest du nicht, dass es langsam an der Zeit wäre, mit diesem kindischen Verhalten aufzuhören?«, sagte er. »Lass uns Waffenstillstand schließen.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, entgegnete ich kühl.
    »Ich bitte dich, April. Seit drei Tagen schmollst du wie eine Dreijährige, der ihr Vater verboten hat, auf der Straße zu spielen.«
    » Du hast mich wie eine Dreijährige behandelt!«, gab ich zurück. »Mein Vater würde mich nie so behandeln. Er vertraut mir nämlich. Ich habe dir versprochen, dass ich Steve nicht anrufe, trotzdem lässt du den Telefonanschluss überwachen. Das verzeih ich dir nie.«
    Jim schwieg einen Moment lang, offensichtlich musste er meine Worte erst einmal sacken lassen. Dann sagte er zu meiner grenzenlosen Überraschung: »Du hast recht, April. Und ich möchte mich bei dir für mein Verhalten entschuldigen. Ich habe übrigens nicht veranlasst, dass der Anschluss überwacht wird. Ich hatte einfach das Gefühl, dass du kurz davor warst, eine große Dummheit zu begehen, und das war das Einzige, was mir einfiel, um dich davon abzuhalten.«
    »Ich bin nicht dumm«, sagte ich.
    Jim lächelte. »Man muss nicht dumm sein, um eine Dummheit zu begehen. Meine Enkelin Monica ist in deinem Alter und total verrückt nach einem Kerl mit einer Harley-Davidson. Monnie ist normalerweise ein ganz vernünftiges Mädchen, aber wenn sie mit ihrem Freund zusammen ist, verwandelt sie sich in einen komplett anderen Menschen. Dann hält sie sich für unsterblich und fährt ohne Helm mit ihm auf dem Motorrad, während er mit einer Hand lenkt und mit der anderen Bier trinkt.«
    »Das ist nicht nur dumm«, sagte ich, »das ist gemeingefährlich.«
    »Natürlich ist es das. Aber Monnie ist da anderer Meinung. Im Moment denkt sie mit ihren Hormonen statt mit ihrem Hirn. Jedenfalls tut es mir sehr leid, wenn ich deine Gefühle verletzt habe.«
    Schlagartig war meine Wut auf Jim verraucht, und ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil ich mich ihm gegenüber so unhöflich verhalten hatte. Und während Jim so vor mir stand, mit seinen schütteren Haaren, seinem wettergegerbten Gesicht und den Lachfältchen um die Augen, erinnerte er mich wieder unglaublich an meinen Großvater, der gestorben war, als ich zwölf gewesen war, und ich wurde von einem plötzlichen Gefühl der Zuneigung überwältigt.
    »Ich … mir tut es auch leid«, stammelte ich. »Ich glaube, ich bin wirklich eine ziemliche Zicke gewesen. Und vor allem möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich dich einen alten Knacker genannt habe. Das habe ich nicht so gemeint.«
    »Wenn du es heute noch mal sagen würdest, müsste ich dir sogar leider recht geben«, sagte Jim trocken, hob die Hände und zog eine Grimasse, als er sie bewegte. »Wenigstens kriege ich in meinem Job keinen Schreibkrampf. Sollte deine Mom jemals Arthritis bekommen, tut sie mir jetzt schon leid. Ich könnte auf keinen Fall den ganzen Tag einen Stift halten.«
    »Normalerweise schreibt sie nicht mit der Hand«, sagte ich. »Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum sie abends so fertig ist.«
    »Wir sind alle fertig«, sagte Jim. »Wir bekommen langsam einen Lagerkoller. Was hältst du davon, wenn ich versuche, ein paar Spiele aufzutreiben? Spielen dein Bruder und du gern Scrabble? Oder Kniffel?«
    »Für Scrabble kann Bram noch nicht gut genug buchstabieren«, sagte ich. »Aber er mag Monopoly und Familien-Duell.«
    »Wenn sie die in den Läden unten nicht haben, besorge ich welche in der Mall«, versprach Jim. »Niemand von uns braucht noch einen Abend vor der Flimmerkiste.«
    Nachdem er gegangen war, kämpfte ich mit meinem schlechten Gewissen, weil ich ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte. Ich wusste, ich hätte ihm sagen müssen, dass ich Steve geschrieben hatte. Andererseits, was hätte das gebracht? Und es war schließlich nicht so, dass ich uns mit dem, was ich getan hatte, in Gefahr gebracht hätte. Es war möglich, Telefonanrufe zurückzuverfolgen, aber nach dem, was ich aus der Unterhaltung zwischen Mom und Max erfahren hatte, war es wohl selbst für das FBI mit seiner ausgeklügelten Technologie schwierig, einen Brief zurückzuverfolgen, der ganz normal mit der Post verschickt worden war. Ich blieb noch eine Weile auf dem Balkon, versuchte, meine Gedanken zu ordnen, bis es irgendwann zu nieseln anfing und ich wieder reinging. Im Wohnzimmer traf ich

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