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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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abnahm.
    Entsetzt ließ ich den Hörer sinken. »Sie sind nicht zu Hause.«
    »Vielleicht sind sie bei einem Nachbarn eingeladen«, versuchte Lorelei mich zu beruhigen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Seit wir untertauchen mussten, meiden Mom und Dad jeden privaten Kontakt.«
    Wir saßen uns auf den Motelbetten gegenüber und sahen die eigene Panik in den Augen der jeweils anderen widergespiegelt.
    »Noch ist niemandem etwas passiert«, sagte Lorelei entschieden. »Selbst wenn er von dem Moment an, an dem wir den Freeway verlassen haben, durchgefahren ist, kann er noch nicht in Grove City angekommen sein.«
    »Ich muss Tom Geist anrufen, aber seine Nummer ist nicht registriert«, sagte ich. »Sie klebt zu Hause unter dem Telefon, aber ich habe nie daran gedacht, sie mir zu notieren. Ich glaube, es ist besser, wenn wir sofort weiterfahren.«
    »Du hast schon den ganzen Tag am Steuer gesessen.« Lorelei stand auf. »Ich übernehme die erste Hälfte, du die zweite.«
    »Aber was ist mit deinem Gips?«, fragte ich. »Du hast selbst gesagt, dass du mit nur einer Hand nicht fahren kannst.«
    Lorelei winkte ab. »Gefährlicher als bei deinem tollkühnen Manöver auf dem Freeway kann es nicht mehr werden. Außerdem haben wir keine Wahl. Wer weiß, was dieses Monster, das mir den Arm gebrochen hat, deinen Eltern antut, wenn wir sie nicht warnen.«
    Ein paar Minuten später hatten wir unsere Sachen wieder im Wagen verstaut und fuhren weiter. Während die Fahrbahn sich wie ein schwarzes Band vor uns ausbreitete, tröstete ich mich mit dem Wissen, dass der Fahrer des Camaro erst einmal unsere Adresse herauskriegen und unser Haus finden musste, wenn er mitten in der Nacht in Grove City angekommen war, und das war selbst uns schwergefallen, obwohl wir eine Wegbeschreibung gehabt hatten.
    Ungefähr zehn Kilometer vor Grove City begann es zu regnen. Anfangs waren es nur ein paar Tropfen, aber als wir schließlich die Stadtgrenze überquerten, war es, als hätte der Himmel seine Schleusen geöffnet, und ich konnte kaum mehr als ein paar Meter weit sehen. Mit zusammengekniffenen Augen lenkte ich den Porsche im Schritttempo die vom dämmrigen Licht der regenverhangenen Straßenlaternen beleuchtete Orange Avenue entlang, die bereits mehrere Zentimeter hoch unter Wasser stand. Ich verpasste die Einfahrt in die Lemon Lane, musste einen U-Turn machen, und als ich sie schließlich gefunden hatte und abbog, starrte Lorelei aus dem Fenster in die Dunkelheit wie ein Astronaut, der von einem schwarzen Loch angesogen wurde.
    »Gibt es hier wirklich Häuser?«, fragte sie zweifelnd.
    »Ein paar«, antwortete ich. »Sie liegen von der Straße zurückgesetzt hinter den Bäumen.«
    »Dieser Regen ist wahrscheinlich unser Glück«, sagte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand bei diesem Wolkenbruch irgendetwas findet, wenn er nicht genau weiß, wo er hinmuss.«
    Sogar ich hatte Schwierigkeiten, unser Haus zu finden, und ich war mehr als erleichtert, als ich endlich den Briefkasten entdeckte. Während ich den Porsche die schmale Einfahrt hinauflenkte, fiel mir ein seltsamer dunkler Umriss links von mir auf. Ich brauchte einen Moment, bis ich erkannte, was es war. Ich wollte schreien, aber der Laut blieb mir vor Entsetzen in der Kehle stecken. Hastig riss ich das Lenkrad herum, sodass der Wagen eine halbe Drehung machte, ausbrach und rückwärts in einem Dickicht aus Palmwedeln zum Stehen kam.
    Ein paar Meter vor uns, vom Lichtstrahl unserer Scheinwerfer angestrahlt, hing Dads Plymouth mit der Kühlerhaube nach unten im reißenden Wasser, das durch den Abflussgraben strömte.

SIEBZEHN
    Noch bevor der Motor erstarb, war ich schon aus dem Porsche gesprungen, rutschte auf Knien die Böschung hinunter und versuchte, in das mit Wasser gefüllte Innere des Wagens zu schauen. »Wessen Auto ist das?«, fragte Lorelei, die plötzlich neben mir aufgetaucht war. Am Ton ihrer Stimme erkannte ich, dass sie die Antwort schon ahnte.
    »Unseres«, sagte ich. »Aber es ist niemand drin.«
    »Gott sei Dank!«, rief Lorelei. »Aber jemand ist damit gefahren! Deine Mutter oder dein Vater. Womöglich war auch Bram dabei.«
    »Ich bin mir sicher, dass Mom am Steuer gesessen hat.« Ich erinnerte mich an den Streit zwischen meinen Eltern, als ich vom Kino nach Hause gekommen war und meine Mutter sich noch ein »Glas Orangensaft« aus der Küche holen wollte. »Mom hat angefangen zu trinken, seit wir untertauchen mussten. Sie ist so unglücklich und frustriert, weil

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