Schweig um dein Leben
gab sie gemeinsam mit Valerie Webers Führerschein an den Officer weiter. Dann warteten wir, während er zu seinem Wagen zurückging und die beiden Dokumente überprüfte.
In der Zwischenzeit fuhr der Umzugslaster an uns vorbei und der Fahrer warf uns durch sein heruntergelassenes Seitenfenster einen schadenfrohen Blick zu. Kurz darauf kam der Officer mit unseren Papieren zurück und stellte mir einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens aus.
»Wie ich gerade gesehen habe, haben Sie den Führerschein erst seit einem Monat«, sagte er wohlwollend. »Halten Sie sich in Zukunft bitte an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Ein kleiner Blechschaden als Einstieg für einen Führerscheinneuling ist das eine, aber wenn Sie so weiterfahren wie eben, dann enden Sie im Leichenschauhaus.«
Ich murmelte eine zerknirschte Antwort und nahm den Strafzettel entgegen.
»Ich glaube, du hast recht gehabt mit dem schwarzen Wagen«, sagte Lorelei ein paar Minuten später, als wir wieder auf dem Freeway unterwegs waren. »Er hätte an uns vorbeifahren müssen, während wir auf dem Seitenstreifen standen, aber das ist er nicht.«
»Da war eine Ausfahrt ungefähr einen Kilometer, bevor wir angehalten wurden«, sagte ich. »Vielleicht ist er dort abgefahren.«
»Oder er ist rechts rangefahren und hat gewartet, damit er uns nicht verliert. Wenn das der Fall ist, wird er vermutlich versuchen, uns wieder einzuholen.«
Wir verfielen in Schweigen und behielten beide die Straße hinter uns im Auge. Und tatsächlich dauerte es nicht lang, bis der schwarze Camaro erneut hinter uns auftauchte und sich auf der linken Spur mit hoher Geschwindigkeit näherte. Ich ging etwas vom Gas herunter, und ein paar Sekunden später scherte er wieder hinter uns ein, als wäre er nie weg gewesen.
»Wenn ich das hier richtig sehe«, Lorelei fuhr mit dem Finger auf der Landkarte entlang, »müsste bald eine weitere Ausfahrt kommen. Er wird nicht damit rechnen, dass du dort abfährst, es ist also einen Versuch wert. Zieh auf die Überholspur und gib Gas. Wenn wir schnell genug sind, können wir ihn vielleicht austricksen.«
Ich nickte und befolgte ihre Anweisung. Als ich dieses Mal die Fahrbahn wechselte, machte der Camaro das Gleiche. Während ich weiter beschleunigte, behielt ich den schwarzen Wagen im Rückspiegel im Auge und sah, dass er ebenfalls das Tempo erhöhte. Mittlerweile war er so nah, dass ich sehen konnte, dass der Fahrer eine Sonnenbrille trug. Die Abfahrt »Weston Road« kam in Sicht, und ich warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel, um mich zu vergewissern, dass alle Spuren rechts frei waren. Dann gab ich noch mehr Gas, bis wir praktisch flogen, schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel und riss, ohne zu blinken, das Steuer hart nach rechts. Der Porsche schlitterte über die drei freien Fahrbahnen und schoss wie eine Flipperkugel die Ausfahrt hoch.
Ich war so damit beschäftigt, den Wagen auf der Straße zu halten, dass ich es nicht wagte, in den Rückspiegel zu schauen.
»Ist er noch hinter uns?«, rief ich keuchend.
Lorelei drehte sich um, krallte sich aber mit der gesunden Hand immer noch haltsuchend in das Polster ihres Sitzes. »Ich glaube, er hat die Ausfahrt verpasst.«
Ich ließ den Wagen an Schwung verlieren und drosselte das Tempo dann vorsichtig, um nicht ins Schleudern zu geraten. Als wir an der nächsten Ampelkreuzung anhalten mussten, merkte ich, dass mir das Herz bis zum Hals klopfte und ich das Steuer so fest umklammert hatte, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Ich lockerte meinen Griff, atmete ein paarmal tief durch, bevor die Ampel auf Grün sprang und ich nach links auf die Weston Road bog. Mit den vorgeschriebenen fünfzig Stundenkilometern fuhren wir durch Tutterville, South Carolina, ein hübsches Örtchen mit baumbestandenen Straßen und gepflegten pastellfarbenen Häusern, das an eine Kulisse für einen Hollywoodfilm aus den Fünfzigerjahren erinnerte. Wo man hinschaute, wuschen Familienväter in den Einfahrten ihre Autos und Hausfrauen in Shorts und Trägertops wässerten ihre Rosen im Vorgarten. Kinder tobten in Sprinkleranlagen und ältere Menschen saßen in Schaukelstühlen auf ihrer Veranda oder hielten mit einem Nachbar auf sonnenbeschienenen Gehwegen einen Plausch. In dieser Postkartenidylle fiel es schwer zu glauben, dass irgendwo ein paar Kilometer weiter weg eine tödliche Gefahr auf uns lauerte.
»Vielleicht haben wir uns das Ganze nur eingebildet«, sagte ich mit zittriger Stimme.
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