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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Sthers
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Rosenmerck
    Nazareth, 20. April 2009
    Lieber Herr Rosenmerck,
    kommen Sie mich besuchen, aus vielerlei Gründen. Zunächst, Ihre Viehzucht ist in Gefahr. Ich bin sehr involviert im sozialen, religiösen und politischen Leben Nazareths. Glauben Sie mir, Sie sind ein Störfaktor. Und außerdem kommt es durchaus vor, dass ich über andere Dinge rede als über Religion. Über Kino, zum Beispiel. Und über Kochen! (Welch ein Glücksgefühl, auf der Speisekarte eines schlechten Restaurants, das einen Zyniker zum Chef hat, zu erscheinen! Mein Anwalt wird sich darum kümmern.) Ich bin ein Feinschmecker und von meiner Mutter habe ich viele tunesische Rezepte geerbt. Kennen Sie die tunesische Küche? Sehr ölhaltig, das schon, aber unvergleichlich. Kommen Sie nach dem Pessachfest und essen Sie eine Bkeila mit mir! Und lassen Sie uns diesen angespannten Schlagabtausch beenden. Ich bin neugierig, Ihr Gesicht zu sehen, Herr Rosenmerck. Wenn Sie aber darauf bestehen, bin ich in der Lage, ein ganzes Heft mit Beleidigungen in mehreren Sprachen zu füllen.
    Mit freundlichen Grüßen, was sonst,
    Moshe Cattan, Rabbi von Nazareth

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 21. April 2009
    Betreff: Von deiner Mutter
    Liebe Annabelle,
    dein Bruder hat mich über das Ende deiner Beziehung informiert. Ich werde nicht sagen, ich hab’s dir vorhergesagt, denn du weißt es bereits.
    Es ist besser so, ihr hattet keine Zukunft.
    Wann willst du dir einen Job suchen? Du würdest darin aufgehen und vielleicht einem Mann begegnen, der dich verdient.
    Du hast doch wohl nicht vor, Doktortitel und MBA s zu sammeln! Inzwischen werden deine Brüste hängelig und dein Bauch schwabbelig! Du bist so schön. Es wäre jammerschade.
    Ich höre schon auf, eine nervige Mutter zu sein, aber ich wünsche mir so sehr, dass du glücklich wirst. Es bleibt wahrscheinlich ein Wunschtraum.
    Es ist alles wegen deiner Kindheit. Du suchst deinen Vater, weil er uns in den ersten beiden Jahren deines Lebens verlassen hat. Es gibt Wunden, die sich nicht wieder schließen, aber sie sind es nicht, die uns leiden lassen, es ist die Entschlossenheit, die wir an den Tag legen, unsere Existenz den wiederholten Messerstichen in immer dieselbe Wunde auszusetzen. Wenn man einmal die Wunde lokalisiert hat, die nicht vernarben will, verbringt man sein ganzes Leben damit, sie immer wieder aufzureißen. Aber manchmal kommt es vor, dass eine Schicksalswendung alles verändert. Oder man trifft einen Mann, dessen Neurosen die eigenen Wunden überdecken und auf einmal geht es.
    Bei deinem Vater und mir hat es auf diese Weise lange Zeit funktioniert. Von katholischen Nonnen aufgezogen, hatte ich eine unschlagbare Art entdeckt, meine Eltern zu ärgern. Aber irgendwann haben sie aufgehört, Antisemiten zu sein und haben angefangen, deinen Vater zu mögen, also habe ich damit aufgehört.
    Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, meine kleine Annabelle. Geh zu deinem Vater, er konnte dich schon immer besser trösten als ich.
    Mama

David Rosenmerck an Annabelle Rosenmerck
    Paris, 25. April 2009
    Annabelle,
    am 11. September krachte der erste Turm in meinem Auto ein. Ich hörte Radio, ich hatte einen Termin bei einem Filmproduzenten, der eine Adaptation fürs Kino von Wer ich bin? herausbringen wollte. Als ich sein Büro betrat, herrschte noch die Meinung vor, es sei ein Unglück gewesen. Ich hatte dich sofort angerufen, aber da war diese idiotische Musical-Melodie auf deinem Anrufbeantworter.
    Â»Hastdudasgesehen?«,undichwarteteaufdeineAntwort.Ichsagte»Annabelle«,unddeinNamehallteindeinemleerenZimmerwider.IchsetztemeinenTerminwieeinRoboterfort.DerFernseherinseinemRückenwareingeschaltetundichsah,wiedaszweiteFlugzeugindenTurmflog.IchversuchtediesemdickenkahlköpfigenProduzentenklarzumachen,dassinseinemRückenDingepassierten,dieeswertwaren,jedesGesprächzuunterbrechen,aberersagte:»Später.«
    Er redete über sich. Er hatte eine Zigarette in der Hand, an der er zwischen seinen belanglosen Monologversatzstücken zog. Also bin ich gegangen. Ohne ein Wort. Ohne zu antworten. Als ich am Ende des Korridors war, hat mich dieser Typ beschimpft. Ich bin zu Mama gefahren. Papa war schon da. Als hätten sie dich zusammen besser beschützen können.
    Bis elf Uhr nachts saßen wir alle drei zusammen. Wir haben auf ein Lebenszeichen von dir gewartet.

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