Schweineblut
Geht mich ja auch gar nix an.«
—
Clemens Boshoven sah sich aufmerksam um. Das Restaurant
war gut zur Hälfte gefüllt. Als sein Mineralwasser gebracht wurde, sah er zum
x-ten Mal auf die Uhr.
»Guten Tag, Herr Boshoven. Bitte verzeihen Sie meine Verspätung.
Aber wir haben seit dem Morgen Probleme mit der Abfüllanlage. Das hat meinen
ganzen Terminplan durcheinandergebracht.« Noch im Setzen winkte Böhling der
Kellnerin zu und bedeutete ihr, dass er auch ein Mineralwasser wollte.
»Ist nicht schlimm.«
Böhling kam sofort zur Sache. »Sie haben es am Telefon ja ziemlich
spannend gemacht.«
»Ich habe von meiner Buchhaltung alle Belege prüfen lassen. Dabei
ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Alle bestellten Analysen sind
ordnungsgemäß durchgeführt und abgerechnet worden. Ich habe Ihnen Kopien
anfertigen lassen. Eine wie auch immer geartete Differenz von 30 000 Euro kann ich nicht erkennen. Bitte.« Der
Laborleiter reichte Böhling die mitgebrachte Mappe.
Ulrich Böhling legte sie achtlos beiseite. »Ich glaube, ich
verschwende hier nur meine Zeit.« Sein Gesicht verfinsterte sich.
»Wir haben festgestellt, dass eine Reihe von Formularen fehlt.
Wissen Sie, diese Formulare, auf denen wir unsere Analysen festhalten, sind
durchnummeriert. Das sind Dokumente, mit denen wir unsere Arbeit lückenlos belegen
können. Eine Art Quittungsblock, nur komplizierter und umfangreicher.«
»Ja, und? Ich verstehe nicht.«
»Nun, wenn Sie mir einen Blick in Ihre Unterlagen gestatten, könnte
ich ziemlich schnell feststellen, ob es sich dabei um die fehlenden Formulare
handelt.«
»Und wenn?«
»Nun, das kann nur bedeuten, dass uns diese Formulare gestohlen
wurden, zum Beispiel um Ihnen Leistungen zu berechnen, die nie erbracht
wurden.«
»Voogt soll diese Papiere bei Ihnen gestohlen haben? Das glauben Sie
doch selbst nicht!«
»Vielleicht hatte er ja Komplizen?«
»Wenn Sie sagen, dass die Dokumente nummeriert sind, muss der
Buchhaltung bei der Abrechnung doch auffallen, dass die Nummernfolge abreißt.«
Böhling glaubte Boshoven kein Wort.
»Leider werden die Analysen intern nach einem anderen System
dokumentiert. Ich könnte verstehen, dass der Fehlbestand bisher nicht
aufgefallen ist.«
»Das ist doch eine erschreckende Sicherheitslücke, wenn es denn
stimmt, was Sie da behaupten.«
»Wir wollten das eigentlich schon längst geändert haben.«
Der Leiter des Neusser Labors wollte etwas sagen, unterbrach sich
aber. Böhling konnte an Boshovens Gesicht sehen, wie sehr es in ihm arbeitete.
»Bitte, Herr Böhling, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber das
Geld, Ihr Geld, ist nie bei uns angekommen. Sie können wirklich jedes Konto
überprüfen. Sie werden keine 30 000 Euro finden. Ich kann
Ihnen das Geld also nicht ersetzen. Das verstehen Sie doch?«
»Sie werden zahlen müssen, Boshoven, oder ich gehe zur Polizei.«
Böhling sah den Laborleiter ungerührt an.
»Das können Sie doch nicht machen. Integrität ist unser größtes
Kapital. Wollen Sie uns vernichten?«
»Ich baue gerade meine Brauerei um. Da brauche ich jeden Euro.
Außerdem sprechen wir hier über Betrug.«
»Lassen Sie uns doch vernünftig reden.«
»Ich werde zur Polizei gehen. Gleich morgen. Ich will wissen, wer mich
und, meinetwegen, auch Sie betrogen hat.«
Clemens Boshoven streckte seinen Arm aus, als wollte er Böhlings
Hand ergreifen, hielt aber in der Bewegung inne. »Bitte, geben Sie mir noch
eine Chance. Ich will die undichte Stelle in meinem Haus finde. Dann regele ich
die Sache auf meine Weise. Diskret. Ich appelliere an Ihr Herz, Herr Böhling.
Sie haben das Wort eines Ehrenmannes.«
Der Brauereibesitzer schwieg. Er musste an seine Brauerei denken.
Würde bei ihm ermittelt, wäre der wirtschaftliche Schaden ebenfalls kaum mehr
wiedergutzumachen. »Na gut, Herr Boshoven. Ich will wirklich kein Unmensch
sein. Deshalb gebe ich Ihnen noch eine Woche Zeit.«
»Sie wollen zu mir?« Barbara Thofondern runzelte die
Stirn.
»Ja. Dürfen wir reinkommen?« Frank steckte seinen Dienstausweis in
die Innentasche seiner Jacke zurück.
»Wenn es sein muss. Worum geht es? Kommen Sie wegen des Ermordeten?«
Barbara Thofondern ging voraus ins Wohnzimmer. Unsicher zeigte sie auf die
altdeutsche Sitzgarnitur. »Wenn Sie sich setzen wollen.«
Frank und Ecki versanken fast in den dunkelgrünen Polstern der
Eichenholzsessel. Diese wurden jeweils von einem Beistelltischchen und einer
Stehlampe aus Messing flankiert. Auf den Tischchen lagen
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