Schweineblut
jeden unserer Schritte Bescheid wusste.«
»Du meinst, er hat hier im Präsidium einen Maulwurf?«
»Das weiß ich nicht.« Sie sah Kuhnert an. »Es kann auch sein, dass
er von allein den Braten gerochen und einfach mitgespielt hat, um mehr über
unsere Ermittlungen zu erfahren.«
»Du meinst, dass er Viola dazu benutzt, uns auszuschalten? In dem
Fall wird er Viola vorläufig am Leben lassen.«
»Jedenfalls haben die niederländischen Kollegen ermittelt, dass van
Bommel, beziehungsweise die Typen, mit denen er zusammenarbeitet, von
mindestens einem, wenn nicht sogar von zwei oder drei ehemaligen Sicherheitsexperten
des KLPD gecoacht werden.«
»Des was?«, rief ein Kollege aus dem Hintergrund.
»Das ist das Landespolizeikorps der Niederlande. Die wissen ganz
genau, wie Polizeigehirne funktionieren.«
»Und du hast Viola trotzdem vorgeschickt? Obwohl du diese
Informationen hattest?«
»Ich habe das Risiko für kalkulierbar gehalten.«
Staatsanwalt Ralf Böllmann sah auf die Uhr. »Angesichts der
fortgeschrittenen Stunde würde ich die Besprechung gerne an dieser Stelle
beenden.« Er griff nach seiner Aktentasche. »Das hätte ich fast vergessen.
Barbara Thofondern kann wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Sie ist aus der
Untersuchungshaft entlassen. Vorläufig und unter Auflagen.«
Viola zuckte zusammen. Der Schlüssel drehte sich im
Schloss. Sie hörte, wie die Tür ein Stück geöffnet wurde. Mit drei, vier
schnellen Schritten stand jemand vor ihr und beugte sich zu ihr. Der Unbekannte
stellte wortlos einen Teller auf den Boden.
»Nimm’s wieder mit! Ich esse nichts.«
Viola hörte nur das erneute Drehen des Schlüssels im Schloss.
Sie schob mit ihren Füßen den Teller von sich. Das Drahtseil um
ihren Bauch schnitt dabei noch tiefer ein. Ihre mit einem dünnen Draht
gefesselten Hände hatten nur wenig Bewegungsfreiheit.
Sie meinte schon seit zwei Tagen in der Gewalt ihrer Entführer zu
sein. Sie hatte versucht, aus den wenigen Beobachtungen ihre Schlüsse zu
ziehen. Aber sie waren kaum auf der Zufahrt zur Autobahn gewesen, als ihr Jan
eine schwarze Stoffbinde über die Augen gezogen hatte. Sie hatten sie zwischen
sich gedrückt und ihr zusätzlich noch eine Decke übergeworfen.
Sie hatte nur bemerkt, dass sie mehrfach von der Autobahn ab- und
wieder aufgefahren waren. Zunächst hatte sie gedacht, dass sie in Richtung
Niederlande unterwegs waren. Dann wieder hatte sie geglaubt, der Wagen fahre
durch die Stadt, um auf die A 52
in Richtung Ruhrgebiet zu gelangen. Aber genauso gut hätten sie eine Schleife
gefahren und wieder in Richtung Niederlande unterwegs sein können.
Dabei hatte der Tag in der Klinik ausnehmend schön begonnen. Nach
der Dienstbesprechung war sie im Pulk der behandelnden Ärzte und Schwestern
über die Station gegangen. Sie hatte sich über jedes Gespräch mit den Patienten
gefreut. Zurück im Stationszimmer, war sie bereits von einer Schwesternschülerin
erwartet worden. Ein Herr van Bommel warte am hinteren Ausgang auf sie. Arglos
hatte Viola Kaumanns sich über die langen Flure auf den Weg in Richtung
Warenlager gemacht. Sie hatte selbst dann keinen Verdacht geschöpft, als neben
Jan ein zweiter Mann stand, nicht weniger groß und breitschultrig und ebenso in
Schwarz gekleidet.
Jan hatte davon gesprochen, dass Marco van Bommel von einem
Geschäftspartner aufgehalten worden war und deshalb nicht selbst hatte kommen
können. Auf Violas Frage, was denn so wichtig sei, dass er sie unbedingt
während ihrer Dienstzeit sprechen wolle, hatte er nur vielsagend und stumm
seine Hand nach ihr ausgestreckt, um sie zum Wagen zu begleiten. Erst in diesem
Augenblick war ihr die Gefahr der Situation bewusst geworden. Der andere hatte
sich so in den Ausgang zum kleinen Innenhof des Krankenhauses gestellt, dass
sie unmöglich an ihm vorbei ins Freie hätte fliehen können. Noch bevor sie
begriffen hatte, dass sie in der Tat in der Falle saß, hatten die beiden Männer
sie bereits in den Wagen gezerrt, der mit laufendem Motor auf sie gewartet
hatte.
Die Augenbinde war ihr erst abgenommen worden, nachdem sie gefesselt
und an die Haken in der Wand gebunden worden war. Sie hatten sie auf eine dicke
Styroporplatte gesetzt. Mit ihren Händen hatte sie den Boden abgetastet, soweit
ihre Fesseln das zuließen. Sie konnte in einem Schuppen oder in einer kleinen
Lagerhalle sein. Sie hatte die Luft immer wieder durch ihre Nase tief in sich
aufgesogen. Aber ihr Gehirn vermochte keinen auffälligen
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