Schweineblut
leise Stimme, die sie unter anderen
Umständen als durchaus liebenswürdig und verbindlich empfunden hatte.
»Du siehst müde aus. Soll ich dich zu Bett bringen?«
Sie konnte nur leicht den Kopf schütteln.
»Gut. Aber dann sei bitte ein etwas gesprächigerer Gast. Ich bin
sicher, du hast viel zu erzählen. Von deiner Arbeit als Polizistin, von deinen
Freunden, deiner Familie. Ich möchte alles von dir wissen.«
Marco van Bommel seufzte und trat neben sie.
»Wie schön du doch bist.«
Viola spürte Tränen in ihre Augen steigen.
Marco van Bommel strich mit dem Zeigefinger über ihren nackten
Oberarm. Dann beugte er sich zu ihr und berührte mit den Lippen den weichen
Flaum an ihrem Hals.
Sie spürte, wie ihre Haut zu Stein wurde.
»Komm, ich will dich lieben.«
Etwa zur gleichen Zeit suchte Ina Weber mit einem Kollegen
in der Wohnung eines Drogenabhängigen nach Beweisen für die illegalen Geschäfte
des 21-Jährigen. Dabei
machten sie eine folgenschwere Entdeckung.
Routiniert durchkämmten sie die wenigen Räume. Aber selbst mit
Handschuhen kostete es sie Überwindung, in der völlig verdreckten Behausung die
wenigen Habseligkeiten des Junkies anzufassen.
»Er war nicht allein.« Ina Weber deutete auf die schmutzigen
Schlafsäcke. »Wovon hat er gelebt?« Sie drehte sich zu ihrem Kollegen Dieter
Niessen um.
Niessen deutete auf die leeren Verpackungen für Computer, DVD-Player
und Kameras, die unter einer Decke versteckt gewesen waren. »Die Ratte hat
geklaut, wie alle Ratten.«
Im Wohnzimmer stapelten sich auf dem Couchtisch und dem
schmuddeligen Sofa leere und halbleere Pizzakartons. Ein fleckiges Oberbett lag
achtlos zusammengedrückt auf dem Boden.
Unter einem Haufen alter Zeitungen zog Ina Weber schließlich eine
kleine Digitalkamera hervor. »Sieht nicht so aus, als hätte er die verkaufen
wollen. Mal sehen, ob sie noch funktioniert.«
Aber die Kommissarin hatte Pech. Der Akku war leer.
Viola rührte sich nicht. Hatte sie geträumt, oder hatte
sie das alles wirklich erlebt? Sie wollte auffahren, aber sie konnte sich nicht
bewegen. Sie war nackt. Ihre Arme und Beine waren mit Handschellen an die Eisenpfosten
des Bettgestells gekettet. Sie wollte ihre Beine schließen, sich zur Seite
drehen, aber der Schmerz ließ sie zurücksinken.
Sie zitterte vor Ohnmacht, Angst und Kälte. Sie war allein. Sie lag
auf einem weichen Bett, das von einem Baldachin aus dünnen Tüchern überspannt
war. Die Wände waren rot gestrichen, die Decke schwarz. Sie konnte im
Halbdunkel einen altmodischen Frisiertisch mit Spiegel erkennen. Daneben
standen zwei Hocker, die mit rotem Plüsch bezogen waren. Auf einem lag ihr
Abendkleid.
Viola schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern. Aber da war
nichts. In ihrem Essen musste ein Schlafmittel gewesen sein.
Sie schwor sich, ihn umzubringen, sollte er sie angerührt haben.
Gleichzeitig ahnte sie, dass van Bommel das nicht getan hatte.
Sie hatte nicht einmal mehr die Kraft zu weinen. Wie lange wollte er
sie noch quälen? Sie hörte ihren Atem, der in ihren Ohren immer lauter wurde,
bis ein brüllendes Brausen sie umfing. Die Schritte, die sich der Tür näherten,
hörte sie nicht mehr. Auch nicht die Stimme mit ihrem sanften Klang.
»Du hast lange geschlafen, meine Liebe.«
Seine Stimme senkte sich in ihr Bewusstsein. Seine Hände spürte sie
nicht.
»Du musst wach werden. Du musst mich ansehen.« Er schlug ihr leicht
mit einer Hand auf die Wangen. »Komm, mach die Augen auf. Unser Spiel ist noch
nicht zu Ende.«
Viola Kaumanns konnte nicht sprechen.
»Denk an unsere Nacht. Du warst voller Lust und hemmungslos. Das ist
das wahre Leben.«
Sie hörte ihn nicht mehr.
»Du wirst sehen, diese winzige Spritze wird dich in unser Leben
zurückholen. Und du wirst mehr davon haben wollen. Du wirst darum betteln, dass
ich sie dir gebe. Du wirst alles dafür tun. Du bist auf dem Weg in ein schönes
Leben. In unser Leben. Ich habe noch nie einen Menschen so begehrt wie dich.
Hörst du? Du bist in Wahrheit diejenige, die die Macht hat. Du hast mich
abhängig gemacht. Hörst du? Ich liebe dich.« Seine Stimme war zu einem immer
leiser werdenden Strom liebkosender Worte geworden, die er mit weichen und
ebenso liebkosenden Berührungen ihrer nackten Haut verstärkte.
Doch Viola Kaumanns’ Körper blieb leblos.
»Das gibt’s doch nicht.« Frank sah Kuhnert an.
Jan Kuhnert klickte sich konzentriert durch die Fotos aus der
Kamera, die Ina Weber entdeckt hatte.
Es war eine
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