Schweineblut
ein tiefer, gurgelnder Ton aus Vermeers Kehle.
Er sprach mit einer Stimme, die bei jedem Wort abzubrechen drohte und so heiser
klang, als habe der Mann über Stunden geschrien.
»Es war Abend. Wir haben getrunken. Und wir haben ein bisschen Koks
gehabt. Wir wussten, dass wir es tun mussten.«
»Was mussten Sie tun? Wo waren Sie?«
»Was fühlt man, wenn man jemandem den Kopf abschneidet?«
Frank antwortete nicht.
»Ich sage es Ihnen. Man schneidet und fühlt nichts. Nur den
Widerstand. Sind das Muskeln, ist das der Halswirbel? Es schmatzt und knirscht.
Wir haben dabei getrunken. Und wir haben dabei gelacht. Ja, wir haben gelacht.
Sieh her, wie er glotzt! Sieh her, wie es tropft.« Vermeer schüttelte sich. Er
zitterte, seine Hände verkrampften sich.
Frank schwieg. Er nahm nicht wahr, dass das Mobiltelefon in seiner
Hosentasche vibrierte.
»Wir haben den Kopf wie einen Ball über den Boden rollen lassen. Er
ist einfach runtergefallen. Wir haben nicht gemerkt, dass er schon
abgeschnitten war. Ich habe gelacht.«
Frank nickte.
»Wir haben getan, was wir auch mit Kamphausen getan haben. Wir haben
ihm in den Kopf geschossen. Dann haben wir ihn ausgezogen, solange er noch
weich war.«
»Ausgezogen?« Frank hauchte die Frage fast.
»Seine Kleider haben wir verbrannt.«
»Wo habt ihr ihn erschossen?«
»Und dann haben wir seine Arme und Beine abgeschnitten. Es war ganz
einfach.« Ein kurzes Lächeln zuckte über Vermeers Gesicht. »Wenn man ein
scharfes Messer hat. Es muss lang sein und scharf. Und man muss vorher viel
trinken.«
Frank schluckte.
»Dann haben wir den Rest zerteilt.«
»Womit?«
»Er hat doch nicht ganz hineingepasst.«
»Was meinst du damit?«
»Die Arme und Beine waren kein Problem. Aber der Rest.«
»Wo habt ihr ihn erschossen, Jan?«
»Es hat geknirscht, schlimmes Geräusch.« Jan Vermeer schlug sich mit
den Fäusten gegen die Schläfen. »Ich höre es jede Nacht. Dieses Knirschen!« Er
schrie fast.
»Was hat geknirscht?« Franks Frage klang fast tonlos.
»Knochen.«
»Knochen?«
»Ich habe Marco gewarnt. Ich habe ihm gesagt, Kamphausen ist zu groß
dafür.«
»Marco van Bommel war auch dabei?«
»Er war nicht so schwer, wie ich gedacht habe.«
Vermeer winselte und wand sich. Tränen liefen über seine Wangen.
»Aber wir haben es am Ende doch geschafft. Wir haben immer alles
geschafft. Die Scheunen, das Marihuana, Ernten, Fortschaffen, Viola Kaumanns,
Verhandlungen mit den Bossen. Geld ist nicht wichtig. Die Macht! Wir hatten die
Macht.«
Frank traute sich nicht, Vermeer zu unterbrechen.
»Wir waren Gott.« Vermeer hob die Arme gegen die Zimmerdecke.
»Niemand konnte uns aufhalten. Es war so schwer und so leicht.« Vermeer ließ
seine Hände sinken. »Sie war schnell verstopft. Wir haben sie ein paarmal
reinigen müssen. Das war gefährlich. Wir haben den Strom abstellen müssen.
Sonst hätte sie auch uns aufgefressen.«
Frank glaubte nun zu wissen, wie die Reste der beiden Männer auf das
Feld gekommen waren.
»Es war ein großer Schredder. Wir haben ihn gemietet.«
Nur mit eisernem Willen konnte Frank das Würgen in seinem Hals
unterdrücken.
—
»Viola?« Frank flüsterte zum zweiten Mal ihren Namen.
Er hatte zunächst an der Tür gestanden und nicht sehen können, ob
sie schlief. Nun sah er, dass Viola mit offenen Augen auf dem Rücken lag. Ihr
Blick verlor sich im Nirgendwo.
»Viola?«
Sie antwortete nicht. Und sie bewegte sich nicht.
Unschlüssig blieb Frank stehen. Ob sie ihn überhaupt wahrnahm? Frank
versuchte vergeblich, mit seinem Blick ihre Augen einzufangen.
»Ich habe dir etwas mitgebracht. Ich werde gleich mal nach einer
Vase fragen.« Verlegen legte Frank die fünf dunkelroten Rosen, die er in dem
kleinen Shop neben dem Klinikeingang gekauft hatte, auf das Nachttischchen.
Langsam und schüchtern legte Frank seine Hand auf ihre. Die Finger
fühlten sich kühl an.
»Er wird den Rest seines Lebens sitzen. Jan Vermeer hat heute die
Morde an Kamphausen und Uferkamp gestanden. Ich dachte, dass du es als Erste
wissen solltest. Jetzt fehlt nur noch das Geständnis, dass sie Voogt getötet
haben. Aber das ist auch nur noch eine Sache von Stunden. Viola, er wird dir
nie mehr etwas tun.«
Viola Kaumanns zeigte keine Regung.
»Ich soll dir schöne Grüße von allen Kollegen bestellen. Sobald es
dir bessergeht, wollen sie dich besuchen.«
Er hätte sie so gerne wenigstens zu einem kleinen Lebenszeichen
bewegt.
»Ich komme wieder.« Er zögerte. »Wenn du
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