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Schweinehunde / Roman

Schweinehunde / Roman

Titel: Schweinehunde / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte & Søren HAMMER
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Platz in eine Zeitung vertieft saß, auf dem gut sieben Stunden zuvor das türkische Mädchen gesessen hatte. Auch er hätte am liebsten weitergelesen, legte die Zeitung nach einer Ewigkeit dann aber doch zur Seite und musterte Konrad Simonsen kritisch von Kopf bis Fuß durch die dicken Brillengläser, die seine Augen ganz klein wirken ließen. Fast schien er Maß für einen Anzug nehmen zu wollen.
    »Sie haben im Winter aber zugelegt, lieber Konrad. Schade, das mit Ihren Ferien. Wo waren Sie denn? Im Schlaraffenland?«
    Er streckte ihm seine krallenförmige Hand entgegen, und Konrad Simonsen, der glaubte, Elvang wolle seine Unverschämtheit noch unterstreichen, indem er ihm mit dem Finger in den Bauch drückte, wich einen Schritt zurück.
    »Kommen Sie, seien Sie nicht sauer, helfen Sie mir hoch.«
    Konrad Simonsen half ihm vorsichtig auf die Beine.
    »Ich bin nicht sauer. Meine Tochter kommentiert regelmäßig meinen Bauchumfang, was das angeht, bin ich abgehärtet, aber es ist verdammt lange her, dass mich jemand lieber Konrad genannt hat. Ich glaube, das letzte Mal war das bei Kasper Plancks Pensionierung.«
    Kasper Planck war Konrad Simonsens Vorgänger als Leiter der Mordkommission gewesen.
    »Ja, wie die Zeit vergeht. Haben Sie Ihrer Tochter auch von Ihrem Diabetes erzählt?«
    Konrad Simonsen erstarrte.
    »Woher, um alles in der Welt, wissen Sie denn …«
    Er verstummte und riss sich zusammen. Die medizinischen Expertisen des Professors waren legendär. Trotzdem musste er in diesem Fall geraten haben, wobei Konrad sich durch seine Reaktion selbst entlarvt hatte. Schnell wechselte er das Thema.
    »Ist die Halle freigegeben?«
    »Ja, die Spurensicherung hat vor einer Viertelstunde das Feld geräumt, aber halten Sie sich noch von der Hintertür und den Umkleiden fern. Wie ich höre, haben Sie in diesem Fall freie Hand. Stimmt das?«
    »Vermutlich.«
    »Dann sollten Sie Planck einschalten, wenn er nicht schon zu senil ist. Gemeinsam erzielen Sie die besten Resultate, außerdem ist er begabter als Sie.«
    »Er ist keineswegs senil. Gehen wir rein?«
    »Ja, natürlich, gut gekontert, lieber Konrad.«
    Mitten in der Halle hingen fünf nackte Männer, jeder mit einer aus einem dicken blauen Nylonseil gefertigten Galgenschlinge um den Hals. Die Seile waren an soliden Schaukelhaken befestigt, die in die etwa sieben Meter hohe Decke geschraubt worden waren. Die Füße der Toten hingen zirka einen halben Meter über dem Boden, und die Körper waren mit einem Abstand von gut zwei Metern nebeneinander so plaziert, dass die vier äußeren ein Quadrat beschrieben, dessen Seiten parallel zu den Wänden der Halle verliefen. Allen Leichen fehlten die Hände, während die Unterarme vom Ellenbogen bis zum Handgelenk intakt waren. Ihre Gesichter waren zerfleischt, keine menschlichen Züge waren mehr zu erkennen, und auch ihre Geschlechtsorgane fehlten oder waren verstümmelt worden. Durch den Tod und die Verletzungen glichen sich die Männer auf seltsame Weise, als wären ihre physischen Unterschiede nicht mehr von Bedeutung. Konrad Simonsen kannte dieses Phänomen und wusste, dass die Individualität der Toten wieder Form annehmen würde, wenn er sie nur lang genug betrachtete.
    »Motorsäge?«
    Arthur Elvang nickte. Das war einer seiner Vorzüge. Er schreckte nicht davor zurück, seine unmittelbaren Vermutungen mitzuteilen, und unterschied sich damit von den meisten anderen Pathologen, die Konrad Simonsen kannte. Nicht wenige äußerten sich kaum über das Geschlecht einer Leiche, bevor sie kein CT gemacht hatten. Und die Amtsärzte waren noch schlimmer.
    »Während sie am Leben waren?«
    »Nein.«
    Die Antwort erleichterte ihn, das Ganze war so schon grausam genug, obgleich er zu seiner Überraschung nicht physisch reagierte. Vielleicht, weil inzwischen gelüftet worden war oder er Zeit genug gehabt hatte, sich auf diesen Anblick vorzubereiten. Wenn er nach alldem, was er in seinem Leben bereits gesehen hatte, nicht einfach psychisch abgestumpft war. Er wusste nicht, welche Erklärung zutraf, aber war das überhaupt von irgendeinem Interesse? Für ihn selbst auf jeden Fall nicht.
    Er ging weiter langsam um die Männer herum.
    Jeder von ihnen musste stark geblutet haben, aber trotzdem war erstaunlich wenig Blut zu sehen. Unter jedem Toten war nur ein kleiner, trockener Fleck von der Größe eines Tennisballs. Nicht nur die Hälse, die Brust und die Schenkel waren blutverschmiert, sondern auch ihre Haare starrten vor Blut.

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