Schweinehunde / Roman
ich hatte doch keine Ahnung, was für eine noble Bude die hier hat. Noch die exklusivsten Ferienhausvermieter würden sich nach diesem Luxusding die Finger lecken, und das mit Dollarzeichen in den Augen. Dass wir dieses Haus für einen Appel und ein Ei gemietet haben, ist unethisch und bestimmt auch irgendwie illegal.«
»Sie ist reich, na und? Und das liebe Mädchen kannst du dir an den Hut stecken!«
»Außerdem quillt der Kühlschrank vor Essen nur so über, wir könnten hier überwintern.«
»Wir wollen aber nicht überwintern, sondern bloß vierzehn Tage hierbleiben, im Übrigen brauchst du ja nichts zu essen. Es schadet dir bestimmt nicht, ein bisschen von deinen Reserven zu leben.«
»Kein Essen, kein Trinken, keine Zigaretten. Was kommt als Nächstes?«
Sie überhörte ihn und stichelte weiter:
»Wusstest du, dass die italienischen Terrakottafliesen auf der Terrasse handgemalt sind und dass der Marmor im Eingangsbereich Ølandsbrud heißt?«
»Woher weißt du denn das?«
»Von Nathalie natürlich.«
Niemand sonst nannte die Comtesse Nathalie, und in seinen Ohren klang das höchst merkwürdig. Nathalie von Rosen war zwar ihr Geburtsname, aber jeder nannte sie nur Comtesse, sie selbst eingeschlossen.
»Bist du früher schon mal hier gewesen?«
»Ja, klar.«
»Das wird ja immer schlimmer.«
»Dann flippst du gleich bestimmt total aus, denn ich habe noch ein Geschenk für dich.«
»Ein Geschenk? Von wem?«
»Von Nathalie, aber ich dachte, dass ich damit lieber ein paar Tage warte.«
Sein verwirrter Gesichtsausdruck war keineswegs gespielt.
»Also, Papa, manchmal bist du einfach zu kompliziert. So schwer ist das doch nicht zu verstehen. Wenn du mich fragst, mag sie dich sehr gern, und wenn du nur ein wenig auf dich achten und fünfzehn bis zwanzig Kilo abnehmen würdest, wärst du vermutlich eine richtig gute Partie.«
Das schnelle Klatschen nackter Füße auf dem pommerschen Kiefernboden erfüllte den Raum, und sie war weg, bevor er ihren absurden Gedanken auch nur kommentieren konnte.
Das Geschenk der Comtesse war genial. Wie ein neugieriger Papagei saß Anna Mia auf der Lehne seines Sessels und verpasste keine Sekunde, als er es auspackte. Aron Nimzowitsch,
Mein System,
die Originalausgabe aus dem Jahr 1925, mit einer Widmung des Meisters persönlich – ein kostbarer Schatz, der ihn für einen Augenblick beinahe in Ekstase versetzte. Anna Mia gelang es, einen Blick über seine Schulter zu werfen.
»Was meint sie mit ›Danke für die Hilfe‹?«
Er drehte die Karte um, aber zu spät.
»Sag mal, hast du keine Erziehung genossen? Man liest doch keine Post von anderen Leuten!«
»Ich schon. Womit hast du ihr geholfen?«
»Das geht dich nichts an!«
Sie blieben einen Moment schweigend sitzen. Sie auf seiner Armlehne, er im Sessel.
»Wie gut kennt ihr beiden euch eigentlich?«
»Wer? Nathalie und ich?« Ihre gespielte Gleichgültigkeit war fast mit den Händen zu greifen.
»Ja, natürlich!«
»Das geht dich nichts an!«
Womit sie wieder am gleichen Punkt angelangt waren.
Wenig später wurde sie redseliger: »Ich kenne Nathalie nicht sonderlich gut, und wir haben nichts hinter deinem Rücken unternommen. Auf jeden Fall nicht viel, und dass ich schon mal hier war, ist einem absoluten Zufall zu verdanken. Wir haben uns im Sommer in Skagen zufällig getroffen, und sie hat mich zum Lunch eingeladen. Außerdem weiß ich doch, wann du ihr geholfen hast. Das war während ihrer Scheidung, nicht wahr?«
Er schwieg.
»Wir haben uns ein wenig ausgetauscht.« Sie streichelte ihm zärtlich über die hohe Stirn bis zum Haaransatz. »Ich glaube, dass du dir dein Buch redlich verdient hast, Papa. Also tu mir ein für alle Mal den Gefallen und rede nicht mehr über den Preis, okay. Nathalie würde nie auf die Idee kommen, irgendwelche Gegenleistungen für ihre Geschenke zu verlangen. So ist sie nicht, und das weißt du ganz genau.«
»Nein, das würde sie nie tun. Aber es geht ums Prinzip.«
»Vielleicht sind manche deiner Prinzipien einfach fehl am Platz.«
Sie stand auf und trat ans Fenster, während er vorsichtig, fast andächtig eine Seite im Buch umblätterte.
»Ich nehme ein Bad. In der Zwischenzeit kannst du dir ja überlegen, was wir heute mit dem Tag anfangen sollen.«
»Ja, ja, ist in Ordnung.«
Er war so in sein Schachbuch versunken, dass sie ihn zweimal rufen musste, bevor er sie hörte, sich aufrichtete und zu ihr sah, und er bemerkte dabei nicht einmal, dass die Stimmung schon
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