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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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wirklich auskennen, können immer noch gutes Geld damit verdienen. Manchmal helfe ich ihnen bei der Arbeit.«
    Ellen Mae guckte skeptisch drein, obwohl das der Wahrheit sehr nahe kam. Alex hatte als Heranwachsender begeistert Rollenspiele gespielt, und da er sich bei den UpgradeZahlungen und Shareware-Registrierungen als großzügig erwiesen hatte, war er schließlich im Dunstkreis des Spielevertriebs gelandet. Nicht, daß er tatsächlich Spiele entworfen hätte - es machte ihm jedoch Spaß, zu den ersten zu gehören, die die neuen Spiele testeten, und nach seinen Eindrücken befragt zu werden, machte ihm nichts aus. Hin und wieder hatte Alex sogar ein wenig Geld dafür bekommen - alles in allem vielleicht fünf Prozent dessen, was er in das Hobby hineingesteckt hatte.
    Mit achtzehn hatte Alex das Rollenspiel jedenfalls aufgegeben. Damals dämmerte ihm, daß seine zahlreichen FantasyIdentitäten ihm auch noch das letzte bißchen Vitalität raubten, das ihm im Alltagsleben geblieben war. Die Verliese, die in den Spielen vorkamen, stellten eigentlich auch keinen großen Fortschritt dar gegenüber der bizarren, gruftähnlichen Realität der endlosen Abfolge von Krankenhauszimmern. Als ihm dies klar wurde, gab Alex das Spielen auf und verwandte seine Zeit und sein Geld nur noch darauf, die Abgründe seiner medizinischen Bestimmung und die Wunder der pharmazeutischen Halbwelt zu erkunden.
    »Außerdem sammle ich Comics«, setzte er hinzu.
    »Warum?« fragte Ellen Mae.
    »Tja, ich fand's halt echt interessant, daß es noch diese komischen Popdinger gab, die auf Papier veröffentlicht wurden anstatt im Netz.« Diese Bemerkung half auch nicht gerade, das Eis zu brechen. Alex machte unverdrossen weiter. »Ich besitze einer Menge alte amerikanischer Papiercomics - in den USA druckt niemand mehr auf Papier, weißte, aber von den ganz alten, den Undergroundsachen und diesem Zeug, wurde nie was kopiert und gescannt, daher kann man nirgendwo im Netz drauf zugreifen. Und als ernsthafter Sammler wird einem häufig Kunst angeboten, die öffentlich nicht zugänglich ist… Kunst, die kein Mensch zu sehen bekommt… Ein Kunstwerk, auf das jahrelang nicht mehr zugegriffen wurde!«
    Ellen Mae schaute verwirrt drein; offenbar bekam sie nicht mit, was den Reiz seines Hobbys eigentlich ausmachte. Alex fuhr fort: »Meine eigentliche Spezialität sind die modernen mexikanischen Papiercomics. Die fotonovelas, die Schundkrimis nach wahren Begebenheiten, die UFOzines und dieses Zeug. Das ist ein uraltes Medium in einem modernen Kontext, und das ist echt coole, alptraumhafte Volkskunst, wirklich… Ich mag sie, und es ist irgendwie schwer dranzukommen. Aber ich habe schon eine ganze Menge.« Er lächelte.
    »Und was machst du damit?« fragte Ellen Mae.
    »Keine Ahnung«, gab Alex zu. »Ich katalogisiere sie, schweiße sie luftdicht ein… Die werden alle in Houston aufbewahrt. Ich hab mir gedacht, ich sollte sie vielleicht alle illegal scannen und ins Netz posten, damit mehr Leute erfahren, wie cool die sind. Und damit sie sehen, wieviel Zeug ich da gesammelt hab. Aber ich weiß nicht, irgendwie verdirbt das die ganze Sache, ehrlich.«
    Ellen Mae schaute ihn so merkwürdig an, daß Alex auf einmal klar wurde, daß er zu weit gegangen war. Er setzte sein liebenswürdigstes Lächeln auf, reichte ihr demütig ein paar geschälte Wurzeln und fragte: »Und worauf stehst du, Ellen Mae?«
    »Ich stehe auf Komantschen«, sagte Ellen Mae.
    »Was heißt das?«
    »Ich bin hier in Westtexas geboren«, erklärte sie. »Ich bin eine Eingeborene.«
    »Na so was.« Sie hatte nichts von einer Indianerin. Sie sah aus wie eine große angloamerikanische Frau in einem blutbefleckten Papieranzug, die mit den Jahren Fett angesetzt hatte.
    »Ich bin hier draußen auf einer Ranch aufgewachsen, damals, als alles zugrunde ging… Dieser Teil von Texas war noch nie dicht besiedelt. Als die Wasseradern austrockneten, packten die meisten Leute einfach ihre Sachen zusammen und zogen weg. Und dann während des Ausnahmezustands, als die große Dürre kam? Da wurde weggeweht, was noch übrig war, genau wie der Staub.«
    Alex nickte mitfühlend und machte sich mit dem Keramikschäler über eine weitere Wurzel her.
    »Die, die hierblieben - also, die hörten auf, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, und stöberten nur noch umher. Wrackten Geisterstädte ab.« Sie zuckte die Achseln. »Damals redete noch keiner von Terrorismus, weil wir nichts in die Luft jagten, was nicht schon

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