Schwere Wetter
des besten Ackerlandes von China, Ägypten und Indien durch zu salzhaltiges Wasser. Oder der Rodung des tropischen Regenwaldes in Indonesien und Brasilien. Der Ausbreitung der Sahara.
Aber wozu das alles erwähnen? Ellen Mae hätte sowieso nichts davon gehabt. Wenn man alles verlor, ließ man sich nicht dadurch trösten, daß es irgendwo irgend jemandem noch schlechter erging. Die Leute, die den Schmerz eines anderen nach seinen Privilegien beurteilten, waren von niedriger Denkungsart - die Art Leute, die glaubten, es sei ein Spaß, Invalide zu sein, solange man reich war. Alex wußte es besser. Klar, wäre er arm gewesen, wäre er schon längst tot - das wußte er. Aber er war nicht arm. Er war Sohn reicher Eltern, und wenn er dabei ein Wörtchen mitzureden hatte, sollte es auch so bleiben. Das machte sein Leben aber noch lange nicht zu einem Sonntagsspaziergang. Sollte sie nur reden.
»Als ich so weit gekommen war«, sagte Ellen Mae, »beschloß ich, möglichst viel über die Komantschen in Erfahrung zu bringen.«
»Wie das?«
Sie zögerte. »Alex, es gibt zwei Sorten von Menschen auf der Welt. Die Menschen, die nichts wissen wollen, selbst wenn sie etwas wissen sollten. Und die Menschen, die einfach etwas wissen müssen, selbst wenn es ihnen nicht weiterhilft.« Sie lächelte ihn an. »Wir von der Truppe gehören alle zur zweiten Gruppe. Leute, die einfach wissen müssen, selbst wenn sie nicht das geringste daran ändern können.«
Alex brummte etwas. Er persönlich gehörte einer anderen Gruppe an. Er hatte nichts gegen das Wissen an sich, war allerdings nicht bereit, deswegen besondere Mühen auf sich zu nehmen.
»Daher hab ich viel über die Komantschen gelesen. Ich meine, jetzt, wo die Städte verlassen und die Rinder verschwunden waren, war es viel leichter, das Nomadenleben zu begreifen… Das ist das Gute an unserer heutigen Lebensweise. Man kann umsonst alles mögliche lesen, solange man nur einen Laptop in Reichweite hat. Also las ich diese Online-Bücher über die Komantschen und ihre Lebensweise, während ich mein Zeug in Lastern herumschleppte, jagte und Schrottmetalle sammelte.
In dieser Zeit fing ich an, das Land wirklich zu begreifen. Zum Beispiel, warum die Texas Ranger uns Schrottsammlern die Hölle heiß machten. Warum sich die Ranger überhaupt hier draußen blicken ließen, warum sie Konvois aufspürten und auf uns schossen. Die hatten Datenbanken, Handys und was nicht noch alles, aber ansonsten hatten die Texas Ranger nichts Smartes oder Modernes an sich - die Ranger von 2020 waren noch genau die gleichen gottverdammten Texas Ranger von 1880! Und wenn man ein Nomade war und in Westtexas in einem Zelt im Freien kampierte, dann kamen die Ranger einfach nicht damit klar! So einfach war das!« Sie schüttelte die Suppenkelle. »Die ertrugen es einfach nicht, daß wir hier draußen in den Trümmern rumwühlten, daß wir nicht verduftet und brav dorthin gegangen waren, wo die Regierung uns hatte hinhaben wollen. Daß wir keine Steuern zahlten, uns nicht impfen ließen und keine Gesetze hatten.« Sie rührte den Eintopf um, probierte davon und krümelte dann getrockneten Ancho-Pfeffer hinein.
»Klar, hin und wieder ließen sich ein paar Trümmerfreaks total vollaufen und zertrümmerten irgendwelches Zeug in einer Stadt, wo noch Leute lebten. So was kam vor, das will ich auch gar nicht leugnen. Wir waren alle nicht perfekt. Aber die Ranger nahmen das als Vorwand für alles mögliche. Sie wollten uns einfach nicht in Ruhe lassen. Sie vertrieben uns, sie schossen auf uns und sperrten uns ein, und sie steckten uns in Lager.«
»Und was habt ihr dann gemacht?«
»Na ja, ich wurde ebenfalls eingesperrt, daher ging ich nach Oklahoma, um ein paar echte Komantschen zu treffen.«
»Ach, wirklich?«
»Scheiße, ja! In Oklahoma leben heute, nach allem, was passiert ist, mehr Komantschen als damals, wo sie das Land noch für sich hatten. Das ist das Merkwürdigste dabei. Die Komantschen sind nicht etwa ausgestorben. Sie haben sich bloß verändert und sind fortgezogen. Dort oben haben sie sich dann vermehrt, genau wie die anderen Volksgruppen auf der Erde. Es gibt Tausende von Komantschen. Sie betreiben Ackerbau, sie besitzen Läden und so Zeug… und sie stehen auf Kirchen, weißte, sind begeisterte Kirchgänger. Nichts von diesen verrückten Kultgeschichten, sondern gute, altmodische Christen. Ich würd sie nicht gerade als wohlhabend bezeichnen, für amerikanische Verhältnisse sind sie verdammt
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