Schwerter und Eiszauber
ich, und ließen die Größe der Reifinsel in unseren Spielen wiederauferstehen. Manchmal waren wir auch Piratenköniginnen und unterwarfen die Insel. Doch am häufigsten stellten wir uns vor, wie wir im Rat die Macht übernahmen und all die anderen Mitglieder gewaltsam hinausdrängten ...«
»Soviel Gewalt in kleinen Mädchen?« Fafhrd konnte nicht anders, er mußte diese Bemerkung machen. »Wenn ich mir junge Mädchen vorstelle, sehe ich sie Blumen pflücken oder Girlanden winden, während sie sich ein Leben als Ehefrauen und Mütter vorstellen ...«
»... und sie alle ins Schwert laufen ließen und ihren Frauen die Kehle durchschnitten!« beendete Afreyt ihren Ausruf. »Oh, manchmal haben wir auch Blumen gepflückt.«
Fafhrd lachte leise vor sich hin, dann wurde seine Stimme wieder ernst. »Ihr habt also die volle Mitgliedschaft im Rat geerbt – Groniger spricht stets respektvoll von euch, wenn ich auch annehme, daß er etwas zwischen uns vermutet –, und jetzt habt ihr zwei verirrte alte Götter gefunden, von denen ihr annehmt, daß sie euch nicht verraten, und die euch mit senilem Gerede blenden, und einer der beiden hat von einer großen Mingol-Invasion aus zwei Richtungen erzählt, als Auftakt der Welteroberung, und allein deswegen fuhrt ihr nach Lankhmar und warbt den Mausling und mich als Söldnerkapitäne an, vermutlich habt ihr dabei eigenes Vermögen eingesetzt ...«
»Cif ist Schatzmeisterin des Rates«, versicherte sie ihm mit einem vielsagenden Kräuseln der Lippen. »Sie versteht mit Zahlen und Abrechnungen umzugehen ... wie ich mit Schreibstift und Worten, als Sekretär des Rates.«
»Und doch vertraut ihr diesem Gott«, beharrte Fafhrd; »diesem alten Gott, der Galgen liebt und ihnen auf irgendeine Weise Kraft abgewinnen kann. Ich persönlich bin bei alten Männern und Göttern sehr vorsichtig. Nach meiner Erfahrung stecken sie voller Lüsternheit und Gier – und können bei ihren üblen Machenschaften auf eine langjährige Lebenserfahrung des Bösen zurückgreifen.«
»Das ist wohl richtig«, meinte Afreyt. »Doch in letzter Konsequenz bleibt es dabei, daß ein Gott ein Gott ist. Welche unangenehmen Neigungen sein altes Herz auch bewegen mögen, welche üble Gedanken an Tod und Verdammnis ihn auch beschäftigen, in erster Linie muß er seiner Gottesnatur treu bleiben, die darin besteht, sich anzuhören, was wir sagen, und uns darauf festzulegen, dann dem Menschen die Wahrheit darüber zu sagen, was sich an fernen Orten tut, und ehrliche Prophezeiungen zu äußern – wenn er auch versuchen mag, uns mit Worten hereinzulegen, wenn wir nicht genau hinhören.«
»Das paßt genau zu meinen Erfahrungen mit dieser Sorte«, räumte Fafhrd ein. »Sag mir eins, warum heißt diese Erhebung der Hügel des Achtbeinigen Pferdes?«
Afreyt nahm den Themenwechsel ohne Lidschlag hin und erwiderte: »Weil vier Mann erforderlich sind, um einen Sarg oder den aufgebahrten Körper eines Gehängten abzutransportieren – oder eines aus anderen Gründen Gestorbenen. Vier Mann – acht Beine. Darauf hättest du selbst kommen können.«
»Und wie heißt dieser Gott?«
»Odin«, antwortete Afreyt.
Der einfache Name hallte durch Fafhrds Kopf wie ein Gongschlag und löste die seltsamsten Gefühle aus – als wäre er im Begriff, sich Erinnerungen an ein anderes Leben zu erschließen. Außerdem lag darin etwas von dem Unsinn, den Karl Treuherz geplappert hatte, jener absonderliche Fremdweltler, der, im Nacken einer zweiköpfigen Seeschlange sitzend, kurz in das Leben Fafhrds und des Mauslings getreten war, während sie gerade den großen Abenteuerkrieg mit den intelligenten Ratten des Unterirdischen Lankhmar durchstanden. Nur ein Name – doch schon hatte er vage das Gefühl sich verwischender Grenzen zwischen Welten.
Gleichzeitig schaute er in Afreyts weite Augen und bemerkte, daß die Iris violett war und nicht blau, wie sie ihm im gelben Fackelschein des Aals vorgekommen war – und dann fragte er sich, wie er überhaupt diese Farbe wahrnehmen konnte, wenn das Violett vor einiger Zeit bereits am Himmel verblichen war, der sich jetzt nachtschwarz wölbte, nur daß der Mond, der gestern voll gewesen war, gerade über dem östlichen Hochland aufging.
Hinter Afreyt rief eine helle Stimme leise, der Nacht angepaßt: »Der Gott schläft.«
Eines der Mädchen stand am Eingang der Ginsterlaube, eine schmale weiße Silhouette im Mondschein, gehüllt in ein einfaches Gewand, kaum mehr als ein dünnes Kleid, das eine
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