Schwerter und Eiszauber
grünen Augen und stand auf. Cif nickte Mutter Grum und den beiden leichten Mädchen zu, näherte sich dem Tisch des Mauslings, warf ihren Mantel auf den seinen und setzte sich auf den dritten Stuhl. Er schenkte ihr Wein ein, füllte seinen Becher wieder bis zum Rand und setzte sich ebenfalls. Die beiden tranken. Sie betrachtete ihn eine Zeitlang schweigend.
Dann fragte sie: »Du hast das Gesicht im Feuer gesehen und seine Stimme gehört?«
Der Mausling riß die Augen auf und nickte. Gespannt war sein Blick auf ihr Gesicht gerichtet.
»Aber ist dir klargeworden, warum es dir bekannt vorkommt?«
Hastig schüttelte er den Kopf und beugte sich vor, und sein Gesicht zeigte einen sehr neugierigen und erwartungsvollen Ausdruck.
»Es ähnelt dir«, sagte sie leise.
Die Augenbrauen des Mauslings schossen hoch, und er öffnete ein wenig den Mund vor Erstaunen. Sie hatte recht! Das Gesicht erinnerte ihn an sich selbst – nur wie er vor Jahren, vielen Jahren ausgesehen hatte. Oder wie er sich heute im Spiegel sah, wenn er in höchst selbstbewußter oder eitler Stimmung war und die Spuren des Alters zu übersehen vermochte.
»Aber kennst du auch den Grund?« fragte sie ihn, nun ebenfalls mit einer gewissen Spannung.
Er schüttelte den Kopf.
Sie entspannte sich. »Ich auch nicht«, antwortete sie. »Ich dachte nur, du wüßtest es vielleicht. Es fiel mir auf, als ich dich zum erstenmal in Aal erblickte, aber was den Grund angeht – das ist ein Rätsel im Rätsel und entzieht sich unserem Wissen.«
»Ich finde, die Reifinsel ist ein ganzes Nest von Rätseln«, sagte er nachdrücklich. »Und nicht das geringste davon ist deine Leugnung von mir und Fafhrd.«
Sie nickte, richtete sich auf und sagte: »Es dürfte an der Zeit sein, dir zu sagen, warum Afreyt und ich von einem Mingol-Angriff auf die Reifinsel dermaßen überzeugt sind, während die übrigen Ratsmitglieder nicht daran glauben. Meinst du nicht auch?«
Er nickte nachdrücklich und lächelte.
»Beinahe genau vor einem Jahr«, begann sie, »wanderten Afreyt und ich allein durch das Moor nördlich der Stadt, wie wir es seit unserer Kindheit immer wieder getan hatten. Wir trauerten der verlorenen Macht der Reifinsel nach wie auch den verlorenen (oder von Menschen vertriebenen) Göttern und ersehnten ihre Rückkehr, damit die Insel unter festerer Führung stehe und besser vor kommenden Gefahren geschützt sei. Es war ein Tag wechselhaften Wetters mit böigen Winden, gegen Ende des Frühlings, da der Sommer sich noch nicht eingerichtet hatte, die Luft war bewegt, mal hell, mal dunstig-düster, wenn Wolken vor der Sonne dahinflogen. Eben hatten wir eine sanfte Anhöhe überschritten, als wir im Heidekraut einen Jüngling auf dem Rücken liegen sahen. Er hatte die Augen geschlossen und den Kopf zurückgeneigt und schien zu sterben oder am Rande der totalen Erschöpfung zu sein, so als wäre er von der letzten großen Woge eines unvorstellbaren Sturms auf dieses hohe Land geschleudert worden.
Er trug eine einfache Tunika aus grob gewebtem, zerschlissenem Material, dazu einfachste Sandalen, die sehr abgetragen waren und von zerfransten Schnüren festgehalten wurden, und einen sehr alten Gürtel, auf dem einige undeutlich sichtbare Ungeheuer eingestickt waren, doch sofort war ich so gut wie sicher, daß er ein Gott war.
Dazu trugen drei Dinge bei. Seine relative Substanzlosigkeit konnte keine andere Erklärung haben; er ließ sich zwar berühren, doch vermochte ich durch sein bleiches Fleisch beinahe das zerdrückte Heidekraut zu sehen. Dann seine übernatürliche Schönheit – sie war ... das Flammengesicht, wenn auch in Ruhestellung, beinahe wie tot. Und dann die Bewunderung, die in meinem Herzen erblühte.
Afreyts Verhalten war ein weiteres Indiz; sie kniete sofort nieder wie ich, auf der anderen Seite von ihm, auch wenn ihr Verhalten irgendwie unnatürlich war, Symbol für eine erstaunliche Entwicklung, die wir erst später richtig begriffen. (Mehr davon sollst du gleich erfahren.)
Du weißt doch, daß es heißt, ein Gott stirbt, wenn seine Anhänger ihn im Stich lassen. Nun, es kam mir vor, als läge der letzte Anbeter dieses Gottes in Nehwon im Sterben. Oder – und das kommt meinem Empfinden noch näher – als wären in seiner Heimatwelt all seine Gläubigen gestorben, und er sei in die freien Räume zwischen den Welten hinausgewirbelt worden, um dort unterzugehen oder an Macht zu verlieren, um zu überleben oder zu vergehen, je nachdem, wie er in der
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