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Schwerter und Eiszauber

Schwerter und Eiszauber

Titel: Schwerter und Eiszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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hatten.
    Ein leises Geräusch in der Nähe, vielleicht von einem Lemming, der sich durch das Heidekraut bewegte, beendete seine Träume. Er erstieg bereits den sanften Hang des gesuchten Hügels. Nach kurzem Zögern erreichte er die Anhöhe, leise auftretend und sich von dem Galgen fernhaltend und der Stelle unmittelbar unter dem Galgenbaum. Er glaubte, in der Nähe etwas Unheimliches wahrzunehmen und sah sich in der Stille um.
    Am Nordhang des Hügels erstreckte sich ein dichtes Dickicht aus mehr als mannshohem Ginster, eher schon eine Laube, da ein schmaler Weg hineinführte, eine Tür der Schatten. Das Gefühl einer überirdischen Präsenz verstärkte sich, und er unterdrückte ein Erschaudern.
    Als sein Blick sich vom Ginster löste, entdeckte er Afreyt ein Stück hügelaufwärts, seitlich des Hains. Sie blickte ihn ruhig an, ohne einen Gruß. Das dunkler werdende Violett des Himmels verfärbte ihre blaue Kleidung entsprechend. Aus irgendeinem Grund rief er sie nicht an, und jetzt hob sie die schmale Hand vor die Lippen und forderte ihn zum Schweigen auf. Dann blickte sie auf das Dickicht.
    Mit langsamen Schritten kamen drei schlanke Mädchen, beinahe noch Kinder, aus der Schattentür. Sie schienen jemanden zu führen und zu ihm aufzublicken, den Fafhrd zunächst nicht ausmachen konnte. Er blinzelte zweimal, öffnete die Augen weiter und entdeckte schließlich die Gestalt eines großen, hellbärtigen Mannes mit einem breitkrempigen Hut, der seine Augen beschattete, ein Mann, der entweder sehr alt oder von Krankheit geschwächt war, denn er bewegte sich sehr unsicher und stützte sich schwer auf die Schultern zweier Mädchen, obwohl er hoch aufgerichtet ging.
    Im nächsten Augenblick spürte Fafhrd einen eiskalten Schauder, denn ihm kam der Verdacht, daß er hier Nalgron vor sich habe, dessen Gespenst er seit Verlassen des Kalten Winkels nicht mehr gesehen hatte. Und Haut, Bart und Robe der Gestalt waren auf gleiche Weise gefleckt, oder aber er sah die bleichen Aststümpfe des Ginsters durch die Erscheinung.
    Doch wenn es sich um ein Gespenst handelte (ob nun Nalgron oder jemand anders), ließen sich die Mädchen jedenfalls nichts anmerken. Sie behandelten den Greis vielmehr mit einer Art pflichtbewußten Zärtlichkeit, und ihre Schultern beugten sich unter seinen Händen, als hätten sie ein sehr reales Gewicht zu tragen.
    Langsam kamen sie das kurze Stück zum Gipfel des Hügels herab, und Afreyt folgte wortlos einige wenige Schritte dahinter, bis der Greis direkt unter dem Ende des Galgens stand.
    Dort schien Mann oder Gespenst plötzlich an Kraft zu gewinnen (und vielleicht auch an Substanz), denn er nahm die Hände von den Schultern der Mädchen, die sich einige Schritte in Richtung Afreyt zurückzogen, weiter zu ihm emporblickend, und hob das Gesicht zum Himmel, und Fafhrd erkannte, daß er zwar ein hagerer Mann an der Schwelle zum Alter war, mit kräftigen, edlen Gesichtszügen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Nalgron erkennen ließen, daß er aber dünnere Lippen hatte, die Winkel herabgezogen, wie bei einem allwissenden Lehrer, und über dem linken Auge eine Klappe trug.
    Unsicher schaute er sich um, wobei er Fafhrd mit einem Blick streifte, der verängstigt erstarrt war, dann wandte sich der alte Mann nach Norden, hob einen Arm in diese Richtung und sagte mit einer heiseren Stimme, die wie das Seufzen des Windes in kahlen Ästen klang: »Die Flotte der Gegenlauf-Mingols kommt aus dem Westen. Zwei Schiffe eilen voraus, ihr Ziel Kalthafen.« Dann drehte er schnell den Kopf zurück, in einem Winkel, der unmöglich groß erschien, als wäre sein Hals gebrochen, aber doch noch irgendwie intakt, so daß er mit seinem gesunden Auge Fafhrd direkt ansah und sagte: »Du mußt sie vernichten!«
    Dann schien er das Interesse zu verlieren, und erneut überkam ihn Schwäche, vielleicht eine Art sinnliche Entspannung nach erfüllter Aufgabe, denn er ging auf dem Weg zurück zum Ginsterdickicht ein wenig schneller, und als die Mädchen ihn umringten, schienen seine Hände sie lasziv am Nacken zu tätscheln und nicht nur Halt auf ihren schmalen Schultern zu suchen. Dann nahm die Schattentür, inzwischen dunkler geworden, die Gruppe auf.
    Fafhrd war trotz seiner Angst von der Szene dermaßen gefesselt, daß er kaum auf die Worte achtete, die Afreyt leise, doch nüchtern äußerte, als sie vor ihn hintrat: »Hast du das gehört? Kalthafen ist die zweite Stadt auf der Reifinsel, allerdings weitaus kleiner, leichte Beute

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