Schwerter-Zylus 01 - Schwerter gegen den Tod
Norden, am geheimnisvollen Schattenreich Quarmall vorbei zu den Pleea-Seen, aus denen der Hlal-Fluß entspringt, und von dort zur Bettlerstadt Tovilyis, in der der Graue Mausling seinen Geburtsort vermutete, ohne es genau zu wissen; als sie wieder fortritten, war er auch nicht schlauer.
Auf einem Kornkahn überquerten sie das Ostmeer und suchten anschließend eine Weile nach Gold in den Bergen der Älteren, nachdem die letzten ihrer erbeuteten Juwelen längst verspielt oder eingetauscht waren. Als ihnen das Glück hier untreu blieb, wandten sie sich wieder nach Westen, dem Binnenmeer und Ilthmar zu.
Sie ernährten sich durch Diebstähle, Raubüberfälle, Wachdienste, durch kurze Aufträge als Kuriere und Agenten – und solche Aufträge erfüllten sie immer, oder zumindest fast immer mit größter Genauigkeit und unterstützt durch ihre schauspielerischen Talente. Der Mausling führte Tricks vor, jonglierte und sang, während Fafhrd sein Sprachtalent und seine Ausbildung als singender Skalde benutzte, sich in der Dichtkunst und mit der Übersetzung der Legenden seiner Eisheimat hervorzutun. Niemals aber arbeiteten die beiden etwa als Köche, Kontorangestellte, Zimmerleute, Baumfäller oder einfache Bedienstete, und unter keinen Umständen ließen sie sich als Söldner einschreiben.
Die Zeit brachte neue Wunden, aber auch neue Fähigkeiten und Erfahrungen, brachte Verstehen und Mitleid, brachte Zynik und Geheimnisse – brachte ihnen ein Lachen, in das sich versteckter Hohn einschlich, und ein unbewegtes Äußeres, das alles innere Leid überkrustete und Fafhrds barbarische Herkunft und des Mauslings ärmliche Vergangenheit verdeckte.
Äußerlich entwickelten sie sich zu fröhlichen und gleichgültigen und gelassenen Männern, doch ihr Leid und ihre Schuld verließen sie nicht, die Gespenster Ivrians und Vlanas suchten sie heim im Schlafen und im Wachen, so daß sie mit anderen Mädchen kaum zu tun hatten, und wenn es einmal dazu kam, war mehr Qual als Freude im Spiel. Die kameradschaftlichen Bande zwischen ihnen schlossen sich fester und fester, doch alle anderen menschlichen Beziehungen waren nur von kurzer Dauer. Melancholie war ihr ständiger Begleiter, obwohl sie das selbst dem Freund gegenüber selten eingestanden.
Da rückte der Mittag des Tages der Maus im Monat des Löwen im Jahr des Drachen heran. Sie ruhten sich in einer Höhle nahe Ilthmar aus. Während draußen die Hitze über dem hartgetrockneten Boden und dürren braunen Gras flimmerte, war es hier im Innern angenehm kühl. Die Pferde, eine graue Stute und ein kastanienbrauner Wallach, hatten ebenfalls in der Höhlenöffnung Schatten gefunden. Fafhrd war kurz auf Schlangensuche gegangen, ohne etwas zu finden. Er verabscheute die kalten schuppenbewehrten Exemplare des Südens, die sich so sehr von den warmblütigen pelzigen Schlangen der Eis-Öde unterschieden. Er ging ein Stück in den schmalen Felskorridor hinein, der im rückwärtigen Teil der Höhle in den kleinen Berg führte, kehrte jedoch um, als er nichts mehr sehen konnte und er weder ein Reptil noch ein Gangende gefunden hatte.
Sie ruhten bequem auf ihren aufgerollten Schlafsäcken. Da der Schlaf ausblieb, begannen sie sich leise zu unterhalten. Nach und nach wurde ein ernstes Gespräch daraus. Schließlich setzte der Graue Mausling zu einer Zusammenfassung der letzten drei Jahre an.
»Wir haben die ganze Welt durchreist und kein Vergessen gefunden.«
»Da möchte ich widersprechen«, erwiderte Fafhrd. »Nicht deiner zweiten Bemerkung – ich bin noch ebenso geplagt von meinen Erinnerungen wie du –, aber wir haben bisher das Äußere Meer noch nicht überquert und uns auf dem großen Kontinent umgesehen, der den Legenden zufolge im Westen liegt.«
»Doch, das haben wir getan, glaube ich«, wandte der Mausling ein. »Ich stimme dir zu, daß es wenig Sinn hätte, jetzt noch die Meere abzusuchen. Aber als wir ganz weit im Osten waren und an der Küste jenes großen Ozeans standen, dessen gewaltige Brandung uns fast schwerhörig machte, da war das sicherlich die Westküste des Äußeren Meeres – zwischen uns und Lankhmar nur das aufgewühlte Wasser.«
»Welchen großen Ozean meinst du?« wollte Fafhrd wissen. »Und welche gewaltige Brandung? Das war doch nur ein Binnensee, eine kleine Pfütze, die etwas vom Wind bewegt wurde! Ich habe ganz deutlich das gegenüberliegende Ufer sehen können.«
»Dann bist du Trugbildern zum Opfer gefallen, mein Freund, und hast dich einer deiner
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