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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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Beweis für eine verborgene Seite seiner Gabe; sie stellte eine Art Gegengewicht zu seinen kriegerischen Fähigkeiten dar, und doch vermochte sie nichts Magisches in ihr zu entdecken.
    Die Gewissheit, dass Richard sie geschnitzt hatte, hatte Nicci zu der Annahme verleitet, er sei an der Arbeit als Bildhauer interessiert, die man ihm unten in Tanimura angeboten hatte, doch er hatte abgelehnt. Danach war er tagelang launisch gewesen und hatte kaum ein Wort gesprochen.
    Wann immer sie durch eine neue Stadt kamen, konnte sie beobachten, wie er die Statuen und Reliefarbeiten aufmerksam betrachtete. Da er selbst schnitzte, hatte sie erwartet, er würde diese Werke faszinierend finden, doch das war nicht der Fall; für sie war das vollkommen unverständlich. Zugegeben, nichts davon war so fein ausgeführt wie seine eigenen Arbeiten, aber trotzdem waren dies bildhauerische Werke, für die er sich ihrer Meinung nach zumindest hätte interessieren müssen. Seine bedrückte Stimmung, sobald er eines von ihnen erblickte, verwirrte sie jedes Mal aufs Neue.
    Einmal hatte sie einen kleinen Umweg eingeschlagen, aus keinem anderen Grund als dem, ihm einen berühmten Stadtplatz mitsamt des heroischen Kunstwerks zu zeigen, das dort stolz ausgestellt war. Ihr Hintergedanke war, ihm eine kleine Freude zu bereiten, indem sie dieses viel gerühmte Werk zeigte. Er war alles andere als erfreut gewesen. Überrascht hatte sie ihn gefragt, warum er die Skulptur mit dem Titel Vision der Qual so ganz offensichtlich nicht mochte.
    »Sie bedeutet den Tod«, hatte er, sich von dem allseits verehrten Kunstwerk abwendend, in kaltem Ekel geantwortet.
    Es handelte sich um eine eindrucksvoll komponierte Szene, bestehend aus einer Gruppe von Personen, von denen sich einige nach dem Anblick der Vollkommenheit des Lichts des Schöpfers die Augen ausstachen. Andere Figuren im Sockel der Statue, die sich nicht geblendet hatten, wurden von Bestien aus der Unterwelt zerfleischt. Die Günstlinge des Hüters wichen vor den Geblendeten zurück, die über das, was sie gesehen hatten, bevor sie sich eigenhändig das Augenlicht nahmen, in Wehklagen verfielen.
    »Aber nein«, erwiderte Nicci, die Mühe hatte, nicht loszulachen und ihn damit wegen seiner unaufgeklärten Sichtweise zu verletzen. Stattdessen suchte sie seine Sichtweise des berühmten Kunstwerks zu korrigieren, indem sie es ihm erklärte.
    »Es handelt sich um eine Darstellung der nichtswürdigen Natur des Menschen. Es werden Männer gezeigt, die soeben Zeugen der Vollkommenheit Seines Lichts geworden sind, was ihnen die Aussichtslosigkeit der Verderbtheit des Menschen vor Augen geführt hat. Dass sie sich daraufhin diese selbst ausstechen wollen, ist ein Beweis für die Vollkommenheit des Schöpfers, denn sie können ihren eigenen Anblick nicht länger ertragen.
    Die Männer in diesem Kunstwerk sind Helden, denn sie zeigen uns, dass wir nicht danach streben dürfen, uns in unserer Überheblichkeit über unser korruptes Wesen hinwegzusetzen, denn das käme einem sündhaften Vergleich mit unserem Schöpfer gleich. Es beweist uns, dass wir nichts weiter sind als gesichtslose, unbedeutende Teile einer größeren Gesamtheit der Menschen, die Er erschaffen hat, deshalb kann ein einzelnes Leben unmöglich irgendeine Bedeutung haben. Dieses Werk lehrt uns, dass nur die Gesellschaft als Ganzes lohnend sein kann. Die ganz unten, hier, die es nicht geschafft haben, es ihren Mitmenschen gleichzutun und sich zu blenden, erleiden ihr unbarmherziges, ewiges Schicksal durch die Hand des Hüters.
    Verstehst du jetzt? Es respektiert den Menschen in seiner ganzen Fehlerhaftigkeit; wir sollen erkennen, dass jeder Einzelne von uns sich ganz der Besserung unserer Mitmenschen verschreiben muss, denn allein dadurch können wir Gutes tun und das Werk des Schöpfers ehren – uns selbst. Du siehst also, es geht überhaupt nicht um Tod, sondern um die wahre Natur des Lebens.«
    Man hatte Nicci beigebracht, die Statue sei erhebend für die Menschen, weil in ihr all das zum Ausdruck komme, was die Menschen längst als wahr erkannt hätten.
    Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich unter einem Blick so klein gefühlt wie in diesem Augenblick, da Richard sie ansah.
    Entsetzt über diesen Blick in seinen Augen musste Nicci schlucken – er war das genaue Gegenteil jenes schwer fassbaren Etwas, das sie bei ihm zu finden hoffte. Ohne ein einziges Wort der Erwiderung, hatte er in ihr in diesem Augenblick den Wunsch geweckt, am

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