Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
Vom Netzwerk:
Weihung auf dem Vorplatz des Palastes aufgestellt zu werden.
    Die Betonung des Begriffs ›Buße‹ half, ihre Überlegungen auf diesen Punkt zu lenken und fort von der eigentlichen Statue. Stets zeigten sich die Ordensbrüder weitaus zufriedener über die durch seine Plackerei bei seiner Büßerarbeit hervorgerufene Müdigkeit, als dass sie sich für irgendeine weitere in Stein gehauene Statue interessierten. Statuen standen überall herum, und auch diese war nur ein weiterer Beweis für die hoffnungslose Unzulänglichkeit des Menschen. So wie in ihrem Kosmos kein einzelner Mensch von Bedeutung war, so zählte auch kein einzelnes Werk der Kunst. Es war die schiere Masse von Statuen, die als überwältigender Beweis des Ordens für die Unzulänglichkeit des Menschen herhalten musste. Die Schnitzereien waren nichts weiter als die Kulisse jener Bühne, auf der die Ordensbrüder ihre Predigten über Aufopferung und Erlösung sprachen.
    Stets erstattete Richard artig Bericht über seine Nächte mit wenig Essen und ebenso wenig Schlaf, in denen er nach seiner täglichen Arbeit als Bildhauer an seiner eigenen Kasteiung arbeitete. Da selbstlose Aufopferung das geeignete Mittel gegen Sündhaftigkeit war, zogen die Ordensbrüder stets erfreut wieder von dannen.
    Richard ging zu einer noch kleineren, an den Seiten abgeflachten Feile über und bearbeitete den Muskel, dort, wo er sich zur Sehne verjüngte und, die Spannung des Armes wiedergebend, die darunter liegende Struktur sichtbar werden ließ. Über Tag beobachtete er andere Männer bei der Arbeit, um die vielschichtigen Formen der sich im lebenden Körper bewegenden Muskeln zu studieren. Nachts bediente er sich seiner eigenen Arme, die er in den Schein der Lampe hielt, um die sich stolz an der Oberfläche abzeichnenden Adern und Sehnen lebensnah wiedergeben zu können; manchmal griff er auch auf einen kleinen Spiegel zurück. Die von ihm in Stein gehauene Hautoberfläche glich einer vielgestaltigen Landschaft, die sich über Knochen und Muskeln zog, in den Winkeln Falten warf und sich straff über die Körperrundungen spannte.
    Für den Körper der Frau war seine Erinnerung an Kahlan lebhaft genug, sodass kaum andere Bezüge nötig waren.
    Man sollte seinem Werk die Fähigkeit, sich zu bewegen, zu absichtsvollem Handeln, zu Leistung ansehen können. Die Haltung der Figuren verhieß Bewusstheit. Der Ausdruck ihres Gesichts, insbesondere der Augen, würde die höchste Eigenschaft des Menschen offenbaren: die Fähigkeit zu denken.
    Waren die Statuen, die er in der Alten Welt gesehen hatte, eine Verherrlichung des Elends und des Todes, so war diese eine Verherrlichung des Lebens.
    In ihr sollte sich die unbändige Kraft des Willens offenbaren.
    Der Mann und die Frau, die er in Stein meißelte, waren sein Schutz vor der Verzweiflung über seine Gefangennahme. Sie verkörperten die Freiheit des Geistes; sie verkörperten die sich im Triumph aufschwingende Vernunft.
    Zu seinem großen Verdruss bemerkte Richard, dass Licht durch das Fenster über der Statue hereinfiel und die Lampen ablöste, die die ganze Nacht über gebrannt hatten. Die ganze Nacht über; jetzt war es ihm schon wieder passiert.
    Dabei war es nicht etwa die von ihm bei weitem bevorzugte Qualität des Lichtes, die ihn ärgerte, sondern die Tatsache, dass dies das Ende seiner Zeit mit der Statue bedeutete; nun musste er hinunter zur Baustelle und Hässlichkeit in Stein meißeln. Glücklicherweise erforderte diese Arbeit weder Konzentration noch Sorgfalt.
    Er war gerade dabei, den Schwung des Schultermuskels des Mannes mit der Feinfeile zu bearbeiten, als es an der Tür klopfte. »Richard?«
    Es war Victor. Richard seufzte, denn jetzt musste er wohl oder übel seine Arbeit unterbrechen.
    Richard zog des rote um seinen Hals geschlungene Tuch von Nase und Mund, das verhinderte, dass er all den Marmorstaub einatmete. Es war ein kleiner Trick, von dem Victor ihm erzählt hatte und den die Marmorbildhauer aus seiner Heimat Cavatura anwendeten.
    »Komme gleich.«
    Richard stieg von der Kante des Sockels herunter, aus dem er die Beine in Wadenmitte herausgemeißelt hatte. Als er seinen Rücken streckte, merkte er, wie sehr dieser von der ständig gebückten Haltung und dem Schlafmangel schmerzte. Er holte die Zelttuchplane und schüttelte den Staub heraus.
    Unmittelbar bevor er die Abdeckung über die Statue warf, nahm er die Figuren in ihrer Gesamtheit auf. Fußboden, Regale und Werkzeug waren mit einer feinen Schicht

Weitere Kostenlose Bücher