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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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in der Asservatenkammer der Berliner Polizei.
    »Na super, da scheint jemand richtig spendabel zu sein.«
    »Ken!«
    »Nein, Philip, das verstehe ich nicht, was soll daran so unmöglich sein?«
    »Du musst genau hinschauen.«
    »Mir fällt nichts auf.«
    »Noch genauer!«
    »Hm, da ist dieses Bild. Und sonst? Nichts. Ach doch, eine Jahreszahl. 2018.«
    »Genau. Und die bedeutet: Die Münze wurde im Jahr 2018 geprägt.«
    »Das ist doch Quatsch.«
    »Merkst du was?« Philip sah seinen Kumpel erwartungsvoll an.
    Dieser antwortete: »Und ob!«
    »Ja?«
    »Es wird Zeit für einen Wodka-Lemon.«
     
     
    Lindisfarne
     
    Irgendwann erhob sich Beatrice mit steifen, durchgefrorenen Gliedern. Buck machte einen Satz über die Steinmauer, sein Glöckchen läutete verräterisch. Vorsichtig folgte sie ihm. Sie setzte ihre Schritte achtsam in den schmatzenden Sumpf des Gartens und lauschte in die Stille, die das Cottage umgab. Aber es gab keinen Grund mehr, sich Sorgen zu machen. Wer immer bei ihrer Tante im Haus gewesen war, er war längst über alle Berge.
    Und doch hatte sie kurz den Eindruck, als befände sich außer ihr noch jemand im Garten. Rasch verdrängte sie den Gedanken. Es waren nur die Zweige der Bäume, die durch die herannahende Abenddämmerung zu ihr herabhingen wie die Arme von Riesen, bereit dazu, sie zwischen ihren Fingern davonzutragen an einen Ort, an dem es entschieden besser war als hier.
    Die Hintertür stand wieder offen. Sie verharrte einen Moment, starrte auf die Blumen, die ihre Tante gepflanzt hatte und deren Hälse jetzt gebrochen waren. Sie sah jemanden flüchtig aus ihrem Gesichtsfeld verschwinden. Sie wirbelte herum, aber niemand sonst war im Garten, auch nicht jenseits der Steinmauer. Der Garten blieb dunkel und schattig.
    Zögere das Unvermeidliche nicht heraus. Sie sammelte ihren Mut und betrat das Wohnzimmer. Sie verzichtete darauf, die Lampen anzumachen. Das letzte Licht des Tages genügte. Buck saß aufrecht neben dem Kamin. Vor ihm lag Angela, zusammengekrümmt, als würde sie schlafen. Aber das war nicht der Fall. Die Kaminzange war bis zum Anschlag in ihren Brustkorb getrieben und die schmiedeeisernen Spitzen ragten blutverschmiert neben ihrer Wirbelsäule heraus.
    »Mein Gott«, entfuhr es Beatrice. Sie sank auf die Knie. Sie nahm die Hand ihrer Tante. Sie war nicht tot. Ihre Augen flackerten. Sie hob ihren Kopf. Ein blutiges Rinnsal löste sich von ihren Lippen. Der Anblick war zu viel. Tränen lösten sich aus Beatrice’ Augenwinkeln.
    »Es tut mir Leid«, sagte sie.
    Angela verzog die Lippen, der misslungene Versuch eines Lächelns. »Es ist…« Noch mehr Blut quoll aus ihrem Mund. »… nicht deine Schuld.«
    Beatrice stöhnte auf. Oh doch, das ist es. Es war ihre Schuld. Sie wusste nicht, warum, aber sie wusste, ihre Tante starb, weil sie, Beatrice, ein Geheimnis besaß. Wenn sie sich doch bloß erinnern könnte!
    Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können, schoss es ihr durch den Kopf. Woher waren diese Worte gekommen? Sie waren einfach da. Die Bedeutung blieb ihr verborgen, aber sie klangen, mit der sterbenden Angela im Arm, wie blanker Hohn.
    Ihre Tante deutete ein Kopfschütteln an. Sie sagte etwas. Es waren nur noch schmerzverzerrte Laute. Die Kraft ging ihr aus. Beatrice beugte den Kopf hinab. Sie verstand kein Wort, Angela wiederholte: »Buck wird dir helfen.«
    Dann seufzte sie. Sie bäumte sich noch einmal auf. Ein letzter Atemzug. Ihr Kopf fiel herab. Beatrice blieb regungslos neben ihr sitzen, Angelas Hand zwischen den Fingern. Sie spürte, wie die Haut ihrer Tante langsam erkaltete, wie sie sich von dieser Welt entfernte und Beatrice zurückließ. Wieder war sie alleine. Ohne Erinnerung. Nur mit Buck. Er umrundete die Leiche und setzte sich neben Beatrice. Ob er begriff, dass sein Frauchen jetzt tot war?
    Beatrice löste sich von ihrer Tante, legte die kalte Hand behutsam auf den Boden, achtete darauf, dass sie nicht mit dem Blut in Berührung kam. Das schien ihr einfach nicht richtig. Sie strich dem Hund durchs Fell. Wie konnte er ihr helfen? Buck streckte den Kopf vor und legte ihn auf ihren Schoß. Das Glöckchen bimmelte. Dieses verdammte Glöckchen. Sie öffnete die Schnalle und nahm ihm das Halsband ab. Als hätte man ihn von einer Kette befreit, erhob er sich und trottete in den Garten. Geh nur, dachte sie verbittert, hier hält dich nichts mehr.
    Sie hielt das Halsband in den Händen. Sie wollte es eben in eine

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