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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Zimmerecke werfen, als sie bemerkte, dass sie sich geirrt hatte. Es hing kein Glöckchen daran, sondern ein Anhänger aus Metall. Etwas darin erzeugte das Läuten. Der Anhänger besaß einen Schraubverschluss am oberen Ende. Langsam öffnete sie ihn. Ein kleiner Schlüssel glitt in ihre Hand. Ein Schlüssel mit einer Nummer. Sie ballte die Finger zur Faust, barg darin den Schlüssel, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Buck wird dir helfen.
    »Es ist nicht mehr lange hell. Du solltest langsam aufbrechen«, sagte eine Stimme hinter ihr.
    Beatrice machte einen erschrockenen Satz. Beinahe wäre sie über die zusammengekrümmte Leiche ihrer Tante gefallen. Ein gelbes Regencape stand im Türrahmen und rieb sich den wuchernden grauen Bart.
    »Eadfrith«, brachte sie hervor. Ihr Blick flog zwischen ihm und der ermordeten Angela hin und her. »Es war…«
    »Ist schon gut«, unterbrach er sie. »Du solltest dich beeilen.«
    »Womit?«
    Er kniete sich neben der Leiche nieder. »Du weißt, was du zu tun hast.«
    »Aber ich kann doch nicht einfach gehen?«
    »Du musst!«, antwortete er, ohne sie anzuschauen.
    »Was ist mit Buck?«
    »Er begleitet dich.«
    »Aber…«
    »Die Zeit drängt«, schnitt er ihr das Wort ab.
    Für Sekunden standen sie still im Raum. »Was weißt du?«, fragte sie ihn.
    »Nicht viel.« Er erwiderte ihren Blick. »Nur, dass dich keine Schuld trifft.« Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel: Mehr war er nicht bereit preiszugeben.
    Sie öffnete ihre Faust. In der Handfläche lag der Schlüssel. Ein Schlüssel zu einem Schließfach. Und zu ihrem Leben. »Ja«, sagte sie. Es war nur ein Flüstern. »So wird es wohl sein.«
    Buck stand bereits an der Tür. Sie ging hinauf in ihr ehemaliges Zimmer und packte die notwendigsten Utensilien in ihren Rucksack, das Portemonaie mit Ausweis und Geld, die Schlüssel der Wohnung in London. Als sie das Haus schon fast verlassen hatte, drehte sie sich noch einmal um: »Eadfrith, sehen wir uns wieder?«
    Seine Pupillen glänzten feucht. »Wenn es so sein soll, ja.«
    »Und wenn nicht?«
    Er wischte sich die Tränen von den Wangen. »Dann nicht. Jetzt geh!«
     
     
    Berlin
     
    »Und? Was denkst du?«
    Philips Stimme durchbrach die eingängigen Rhythmen der Goa-CD.
    »Piss die Wand an«, erwiderte Ken. Er klang so ernst, wie ihn Philip noch nie erlebt hatte. »Keine Ahnung, was ich denken soll.«
    Sie saßen auf der Couch, die Beine auf den Tisch gefläzt, und genehmigten sich einen Drink nach dem anderen. »Dann weißt du ja, wie ich mich seit Tagen fühle«, sagte Philip.
    »Ich weiß gar nichts. Ich weiß nur, dass du angeblich jemanden umgebracht haben sollst.«
    »Danke, dass du mich daran erinnerst, dass ich auf der Flucht bin.«
    »Keine Ursache. Aber vielleicht klärst du mich jetzt endlich über die Hintergründe auf. Um was geht es hier eigentlich?«
    »Ich weiß nicht viel. Und ich verstehe noch weniger«, erklärte Philip. Schnell fügte er hinzu: »Noch nicht.«
    »Dann erzähl, was du weißt.«
    Der Alkohol lockerte Philip die Zunge. Und merkwürdigerweise wollte er erzählen. Alles loswerden, von Anfang an. Denn es war viel zu viel, um von einer Person alleine ertragen zu werden. Doch ob es eine gute Idee war, Ken einzuweihen? Ausgerechnet Ken, den Soziologen, der auf ganz Berlin schimpfte und sich selbst als einzig normalen Menschen bezeichnete. Im Grunde seines Herzens war er verletzlicher als alle anderen, die er kannte, zusammen.
    Philip sah seinen Kumpel auf dem Sofa neben sich an und stellte fest, dass dieser ihn ebenfalls beobachtete. »Du machst dir Sorgen um mich?«
    »Nein«, sagte Philip zögernd.
    »Piss die Wand an«, wiederholte Ken. »Red nicht so einen Scheiß. Natürlich machst du dir Sorgen. Du denkst: ›Ich kann ihm das nicht erzählen, weil er es eh nicht verstehen wird.‹«
    Philip hielt den Mund.
    »Aber ich will dir was erklären: Vielleicht ist genau das dein größtes Problem – oder was meinst du, warum meine Schwester keinen Bock mehr auf dich hat?«
    Philip zuckte zusammen. Ken nahm kein Blatt vor den Mund.
    »Was meinst du, warum Chris so sauer auf dich ist? Ha? Nicht weil du so ein Arschloch bist. Sondern weil du dein Maul nicht aufbekommst. Weil du nicht mit ihr redest. Hallo? Sie ist deine Freundin! Mag ja sein, dass du in Schwierigkeiten steckst Aber verdammt, alles hat eine Erklärung, für alles gibt es eine Lösung. Man muss nur drüber reden. Reden, mein Lieber. REDEN!«
    »Ihr versteht das nicht.«
    »Ach,

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