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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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„Eirin L. Johnsen“ - ach, der umsichtige, fürsorgliche Halfdan! Wie sah es ihm ähnlich, ihr eine solide, schweinslederne Handtasche zu schenken mit einem Namensschildchen darin.
    Aber da hätte etwas anderes drinstehen sollen! „Eirin Hoek“, hätte da stehen sollen. Oder „Frau Dr. Hoek“. „Frau Kreisarzt Dr. Hoek“!
    Der sonderbare Halfdan! Er hatte es durchaus so haben wollen.
    Eirin ließ sich auf den Rand des Bettes fallen. Sie war nicht einen Augenblick allein gewesen, seit sie gestern aus Oslo abgefahren waren. Erst jetzt kam es ihr richtig zum Bewußtsein, daß die Reise ins Unbekannte begonnen hatte. Erst jetzt konnte sie wirklich überlegen, jetzt, da all das Getriebe und alle Hetze hinter ihr lagen, die vielen Tage mit Einkäufen und Schneiderei im Hause und Abschiedsbesuchen und dergleichen.
    Als sie sich mit Halfdan verlobte, war sie erst zwanzig Jahre alt gewesen. Mit achtzehn kam sie in einen Kreis von Medizinern hinein. Sie war mit den jungen Leuten auf mancher Tanzerei gewesen; sie hatte so viele Krankenhausgeschichten zu hören bekommen, daß es sie schauderte; sie war mit Oskar zum Skilaufen gefahren und mit Fritjof ins Theater gegangen; sie hatte sich immer gut amüsiert und nicht eine Sekunde an eine ernste Freundschaft oder gar an eine richtige Verlobung gedacht - bis Halfdan in den Kreis trat.
    Er war älter als die andern. Nun ja, fertig ausgebildete Ärzte waren sie alle, sie absolvierten ihre Assistentenzeit in verschiedenen Krankenhäusern. Aber Halfdan war auch mit dieser Assistentenzeit fertig. „Ein komischer Kauz“, sagte Oskar von ihm. „Der wird Professor, ehe wir uns überhaupt umgeschaut haben“, sagte Fritjof. „Er ist ein hervorragender Bakteriologe, so jung er auch ist“, sagte Nils.
    „Uff, aber er ist doch so langweilig, dieser Hoek“, meinte Cilly, die so halb und halb mit Oskar verlobt war.
    Und da Eirin immer derselben Ansicht war wie Cilly, fand auch sie Hoek langweilig. Er war wohl so ein richtiger Wissenschaftler, weltfremd und gelehrt und zerstreut - es fehlten bloß noch Schuppen auf dem Rockkragen und Ofenrohrhosen.
    Aber die hatte er nicht! Keiner konnte bestreiten, daß Dr. Hoek gepflegt war bis in die Fingerspitzen. „Hoek sieht immer frisch desinfiziert aus“, sagte Fritjof.
    Eirin vergaß nie den Abend und den Augenblick, als ihr klar wurde, daß Halfdan im Grunde eine sehr interessante Bekanntschaft war.
    Sie waren zu einem Atelierfest bei einem von Oskars Freunden geladen. Da waren allerlei Leute, und sie hatten sich großartig unterhalten. Unter den vielen jungen Männern war auch ein etwas älterer gewesen, der Schriftsteller Storm Torgersen. Eirin hatte seine Bücher gelesen und sich geschmeichelt gefühlt, als er sich auf einem Sofakissen vor ihrem Sessel niederließ und sich ernsthaft über Literatur mit ihr unterhielt.
    Er hatte ihr Wein eingeschenkt, das Glas immer wieder von neuem gefüllt, bis sie lachend die Hand darüber hielt und ihm Einhalt gebot. Er zuckte die Achseln und füllte sein eigenes - viele Male.
    Als sie endlich gehen wollten - draußen dämmerte schon der Morgen -, traf es sich, daß sie und Torgersen vor den anderen die Treppe hinuntergingen. Plötzlich blieb er stehen und ergriff ihren Arm. Er versuchte, sie an sich zu ziehen. Sie leistete Widerstand, aber er war stark, und während er flüsternd auf sie einsprach, wandte sie den Kopf zur Seite, um seinen Atem zu meiden, der nach Alkohol roch und sie anwiderte.
    „Eirin, du hast mich tief beeindruckt. Über dich könnte ich schreiben. Du bist so jung, so froh, so klar - du bist nicht wie die andern. Du könntest mich verstehen...“
    Eirin erschrak über den seltsamen Ton in seiner Stimme. Sie versuchte sich von seinem harten Griff zu befreien.
    „Lassen Sie mich los, bitte!“
    „Eirin, hör mich an!“
    „Lassen Sie mich sofort los!“
    Sie sagte es im Flüsterton, denn sie wollte keinen Lärm schlagen. Wenn nur die andern jetzt nicht kämen - was sollten sie denken! -„Eirin, so hör mich doch an! Wir wollen noch irgendwohin gehen, dann sind wir die andern los und können über alles sprechen.“ Da sein Griff sich noch fester um ihren Arm schloß und Eirin einen heftigen Schmerz verspürte, schrie sie laut auf.
    Im selben Augenblick tauchte eine hochgewachsene Gestalt aus dem Halbdunkel vor ihnen auf. Eirin fühlte, wie sich der Griff Torgersens lockerte, sie sah, wie jemand Torgersen gewaltsam die letzten Stufen hinunterzerrte. Dann hörte sie einen

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