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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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auf mein Wort verlassen. Ich bin durch eine Schweigepflicht gebunden, verstehst du? Agathe, wirst du mir glauben, wenn ich dir sage, daß Schwester Lise es nicht verdient, fortgeschickt zu werden? Wirst du mir glauben, wenn ich dir versichere, daß sie einen so triftigen Grund hatte, an der Tür zu horchen, daß kein Mensch sie dafür verurteilen dürfte?“
    „Natürlich glaube ich dir, aber - “
    „Aber die Prinzipien, denkst du. Wie viele Menschen wissen bis jetzt, daß du sie beim Horchen ertappt hast?“
    „Ich habe es dem Oberarzt gesagt.“
    „Agathe, würde es dir nicht möglich sein, zu Randers zu gehen und zu erklären, du habest dich geirrt - Schwester Lise habe nicht gehorcht, sondern sei von einem plötzlichen Unwohlsein befallen worden und habe sich gegen die Tür gelehnt, weil ihr schwindlig war?“
    Die Oberschwester machte ein verdutztes Gesicht; aber dann sagte sie lächelnd:
    „Marit, Marit! Du bist trotz allem noch ganz die Alte! Alles das verlangst du von mir, nur weil - “
    „Weil die kleine Schwester Lise mir am Herzen liegt, Agathe. Ich weiß eine ganze Menge über sie, glaub mir. Ihr ganzes Inneres ist im Augenblick eine einzige blutende Wunde. Sie hat ein größeres Herzeleid, als du und ich damals hatten, als Olaf starb. Dabei beherrscht sie sich, wie ich es diesem zarten Persönchen niemals zugetraut hätte. Entläßt du sie fristlos, so fügst du einen großen Stein zu der Bürde, die ohnehin viel zu schwer ist für so ein junges Ding, und es wäre obendrein noch unverdient.“
    „Ich habe einen Grund, sie zu entlassen, das weißt du. Nein, du brauchst nichts zu erklären. Also, du stehst für sie ein und verteidigst die Beweggründe, die sie für ihr merkwürdiges Verhalten gehabt hat?“
    „Unbedingt!“
    „In Ordnung. Ich gehe morgen früh zum Oberarzt. Du siehst übrigens ganz so aus, als wolltest du mich um noch etwas bitten?“
    „Ja - kann Schwester Lise nicht schon heute abend Bescheid bekommen?“
    Agathe Transtad lachte.
    „Marit, ach, Marit! Das ist genau wie früher. Weißt du noch, wie du mich um den kleinen Finger gewickelt hast, als wir jung waren?“ „Vielleicht. Aber vor allem habe ich dich sehr gern gehabt.“
    Die Oberschwester schwieg einen Augenblick. Ihre Augen wurden feucht.
    „Noch viel schlimmer ist - ich habe dich auch heute noch gern.“ Die Nachtschwester in der Chirurgie war angewiesen worden, Schwester Lise auszurichten, sie solle sofort zur Oberschwester herunterkommen.
    Eirin saß halb ausgezogen auf ihrem Bett, als der Bescheid kam. Sie zog sich das Kleid wieder über. Als sie die Kappe aufsetzen wollte, fiel ihr ein, daß sie sie nun wohl nie mehr brauchen würde. Sie wurde gerufen, um sich den Fußtritt zu holen. Ruhig und gefaßt setzte sie sich in Marsch, blieb aber plötzlich auf der Treppe stehen, besann sich und war mit drei Sätzen wieder in ihrem Zimmer. Sie riß die Kappe vom Tisch und setzte sie auf. Die Oberschwester legte Wert darauf, daß die Schülerinnen vorschriftsmäßig angezogen waren. Und wenn nun - wenn nun Frau Dr. Claussen wirklich ein Wunder vollbracht hätte -, wenn sie nun vielleicht trotz allem bleiben durfte?
    Verwundert blieb sie auf der Schwelle stehen. Durch den blauen Zigarettendunst, der ihr sofort Dr. Claussens Anwesenheit verriet, unterschied sie zwei lächelnde Gesichter: die Oberschwester und die Ärztin.
    „Nun, da sind Sie ja, Schwester Lise“, sagte die Oberschwester, erhob sich und ging ihr entgegen. „Ich wollte Ihnen nur sagen, wie leid es mir tut, daß ich heute vormittag so heftig gewesen bin. Frau Dr. Claussen hat mir soeben den Zusammenhang erklärt - daß Sie von einem Unwohlsein befallen worden sind durch den Äthergeruch im Operationssaal. Aber Sie müssen verstehen, so wie Sie gegen die Tür gelehnt standen, sah es tatsächlich so aus, als ob Sie Dr. Randers’ Ferngespräch belauscht hätten. Ja, Sie müssen mich entschuldigen, Schwester Lise, und wir müssen versuchen, den kleinen Auftritt zu vergessen!“
    Eirin sah mit großen, erschrockenen Augen auf die Oberschwester. Was meinte sie? War dies eine Prüfung? - Wollte sie sehen, ob sie den Mut hatte zu bekennen? Erwartete die Schwester, daß sie nach diesem rettenden Strohhalm griff und eine Erklärung abgab?
    Nein! Mochte kommen, was wollte; fürchten tat sie sich nicht! „Sie hatten leider recht mit Ihrer Annahme, Oberschwester. Ich hab’ wirklich gehorcht.“
    Da schlug Frau Dr. Claussen mit ihrer breiten Hand auf die Lehne des

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