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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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Fach-Denglish oder zu vielerlei praktischen Dingen aus der Geräteküche und dem Bedienen von Beatmungstuben, Schalluntersuchungen und ähnlichem Alltagsgewerk. Die eine oder andere Veranstaltung ist von Pharma-Multis gesponsert, wobei sich die Frage stellt, ob es sich bei diesen Veranstaltungen nicht doch eher um ein groß angelegtes «Product Placement» handelt.
    Wer später noch kann, guckt in die Dessertkarte, in der sich so manches Schmankerl befindet. Meistens handelt es sich um Vorträge aus dem Bereich des Managements oder gar der EDV ; da kann man in der anschließenden Diskussion nochmal allen zeigen, dass man es richtig drauf hat. Veranstaltungen über ethisch-moralische Fragestellungen werden durchaus auch angeboten, nur findet sich im beruflichen Alltag wenig Zeit, sich «auch noch damit zu beschäftigen», sodass hier zumindest garantiert wird, einen freien Sitzplatz zu bekommen. Falls pflegerische Themen überhaupt angeboten werden, sind sie mit Vorsicht zu genießen. Zahlreich sind die Veranstaltungen zu den sogenannten «Nachspürthemen», die im Grunde sehr interessant und für die praktische Arbeit unersetzlich sind. Leider bedienen die Referenten sich oftmals eines Vokabulars, das es mir in den meisten Fällen unmöglich macht, dem Ganzen länger als zwanzig Minuten beizuwohnen. Beschäftigen wir uns beispielsweise mit den verschiedenen Möglichkeiten, einen Patienten zu lagern, ihm beim Aufstehen behilflich zu sein und das unter Berücksichtigung seiner Ressourcen, fällt früher oder später das Wort «nachspüren». Und nachdem einem zu Übungszwecken eine dicke Wurst aus einer zusammengerollten Bettdecke unter die Rückenpartie gepackt wurde, kommt die Aufforderung, «nochmal nachzuspüren, was das mit dir macht, wie sich das anfühlt, auch ein Stück weit die eigene Bewegungsunfähigkeit zu erleben».
    Ein ganz watteweicher Satz und irgendwie auch sehr lieb, ne?
    Immer wieder beliebt ist das Auffrischen von Themen, die jeder aus der Krankenpflegeausbildung kennt. Kaum etwas kratzt auch nur im Ansatz an dem ewig guten und sanft lächelnden Antlitz der Krankenpflege, die sich hier auf dem Kongress noch mehr Wissen und Durchblick aneignen kann, um all dies in den ohnehin schon vollgestopften Berufsalltag effektiv zu integrieren. Bemerkenswert ist jedoch, dass in den letzten Jahren auch Unannehmlichkeiten wie Burnout-Syndrome, die Tücken der Kommunikation innerhalb eines großen Teams sowie die Bewältigung zahlreicher Konflikte wie Gewalt, Rassismus und Ähnliches ihren Weg in die Kongresse gefunden haben. Oft sind die Säle, in denen die Vorträge stattfinden, dermaßen voll, dass man gut daran tut, sich dort frühzeitig einzufinden. Dies ein gutes Indiz dafür, dass mit eitel Sonnenschein und eifriger Dienstbeflissenheit auf Dauer kein Staat zu machen ist, auch wenn das von den leitenden Chargen nicht unbedingt mit Wohlwollen und Solidarität belohnt wird. Andererseits darf man erwarten, dass die stets eingeforderte Flexibilität auch in einer Leitungsetage oder einer sogenannten «Fachweiterbildungsstätte» Einzug findet.
    Dieser Kongress bietet leider erst am folgenden Tag eine Vortragsreihe für die Intensivpflege an, und ich habe nur diesen Tag frei bekommen. Die Verabredung mit Frau Anzug war mir jedoch um Längen wichtiger, und so fällt mir der Verzicht auf die morgigen Präsentationen nicht unbedingt schwer.
    Uns stellt sich nun die Frage, wie wir den weiteren Tagesverlauf gestalten, weil wir auf den ersten Blick nichts entdecken können, was uns wirklich brennend interessiert. Es gäbe zum einen die Variante «Zeit vertrödeln», in dem man sich erst mal zum Rauchen vor die Tür begibt, am Büchertisch in Fachliteratur herumblättert, noch irgendwo einen Kaffee abstaubt und zufällig auf Leute trifft, die man schon ewig nicht mehr gesehen hat. Zum anderen gibt es die Variante «nach Hause gehen», sich später zur großen Party treffen und sich so noch ein paar wirklich freie Stunden gönnen. Frau Anzug und ich entscheiden uns für die Fahrt nach Hause und verabreden uns gegen zwanzig Uhr auf der Party.
    Der Ausschank auf einer solchen Party hängt von der Größe des Kongresses ab. Auf einem kleinen Kongress trifft man sich eher zu einem «geselligen Beisammensein», trinkt ein Bier, unterhält sich und geht dann wieder. Auf einem großen Kongress darf man mit einem Gelage mittelschwerer Größenordnung rechnen, denn in der Regel gibt es bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Freibier.

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