Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation
Serie, bei der ich hin und wieder auch nach dem x-ten Werbeblock bei der Stange bleibe,
Emergency Room.
Obwohl mir die anfängliche Euphorie ob des Hauptdarstellers George Clooney rätselhaft erschien, habe ich den Eindruck, dass hier noch Wert auf einigermaßen nachvollziehbare Handlungen und lebensnahe Darstellungen gelegt wird. Auch wenn es etwas sehr übertrieben anmutet, wie eine Ärztin ohne Mundschutz, aber immerhin mit Gummihandschuhen im offenen Brustkorb eines jungen Mannes herumfuhrwerkt, um die Herzdruckmassage direkt am Organ durchzuführen. Die in den Saal gebrüllten Dosierungen einzelner Medikamente sind realistisch und adäquat, es wird gar der Name des Präparates genannt, die Hektik ist nachvollziehbar und auch das Sterben kommt nicht zu kurz. Und: Hier sterben die Männer und Frauen nicht nach einem wie auch immer gearteten Zwischenfall nach irgendeiner Bagatelloperation, sondern an Schussverletzungen, an den Folgen von Verwahrlosung und Vereinsamung, an nicht zu durchbrechenden asthmatischen Anfällen oder unstillbaren Blutungen aus Bauchaorta, Magen oder im Gehirn. Und: Hier gibt es «Narkosen» und kein «künstliches Koma».
Man kann sich bei Bier und Kartoffelchips in Ruhe zurücklehnen und finden, dass die Gabe von Epinephrin in diesem Falle eine wirklich gute Überlegung ist. Oder dass es ganz schön traurig ist, dass die arme alte Frau, von ihrer Familie verlassen, im Bett liegt und stirbt – und sich aus dem herumflitzenden Personal doch noch jemand findet, der sich zu ihr setzt und ihr die Hand bis zum letzten Atemzug hält. Natürlich gibt es auch hier unglückliche Verquickungen, Liebe, die erwidert oder verschmäht wird, großes Glück, dann große Resignation, Kinder, Hochzeiten, das alltägliche Leben, was man nach all dem Wahnsinn noch versucht zu erhalten.
Emergency Room
ist trotzdem am dichtesten am Puls der Notfallversorgung.
Immer wieder erstaunlich ist jedoch die Tatsache, dass in jeder Serie, von der prähistorischen
Schwarzwaldklinik
bis hin zu
Emergency Room,
so gut wie komplett auf die Händedesinfektion verzichtet wird. Ab und zu sieht man zwar, wie sich die Chirurgen sorgfältig nach gestrengem Standard die Hände waschen, bevor sie an den gedeckten Tisch treten. Das bekommt der interessierte Zuschauer dann und wann gezeigt, damit er weiß: «Aha, hier wird gründlich gearbeitet, die Bakterien haben nicht den leisesten Hauch einer Chance!» Aber die regelmäßige Händedesinfektion vor dem Betreten des Zimmers, vor und nach dem Patientenkontakt oder beim Verlassen des Zimmers wird viel zu selten in Szene gesetzt. Im Grunde eigentlich gar nicht. Diese Angelegenheit verunsichert den einen oder anderen Bürger mit Sicherheit nicht ganz zu Unrecht, vor allen Dingen, wenn er zuvor in den Nachrichten über die dramatische Zunahme resistenter Keime oder den sprunghaften Anstieg der Schweinegrippe- Infektionen informiert worden ist.
Eine weitere Bereicherung aus dem Segment «Krankenhaus-Serie» stellt die sogenannte Dokumentation dar. Eine geradezu beispiellose Zeiterscheinung war
Notruf
mit Hans Meiser.
Einfach toll: Menschen, die sich bei der Arbeit am Haus durch unsachgemäßen Umgang mit Kreissägen Finger abgetrennt, mit der Motorsäge versehentlich ins Schienbein geschnitten, in der Freizeit mit dem Gleitschirm an eine Felswand geprallt sind oder eine Biene verschluckt haben, erzählen später, wie das gewesen ist, als der Rettungssanitäter die abgesägten Finger in einen Eisbeutel gelegt hat. Die ganze Szenerie wird nachgestellt, panisch rennen Ehefrauen oder -männer durch Vorgärten, aus denen sie die Nachbarn anschreien – «Manfred, ruf ma schnell dä Krankewage, dä Kurt hätt sisch mit dä Motorsääsch ins Bein geschnidde!» – die Terrasse ist mit Blut bespritzt, hektisch saust das Meerschweinchen durch das Gehege, Tiere merken das ja, wenn jemand in Gefahr ist, und der Kurt liegt bleich, stöhnend und bestreut mit Sägespänen blutend im Halbschatten und wartet auf die Rettung. Vor laufender Kamera zeigen die Retter die sach- und fachgerechte Erstversorgung des Verletzten, und dann geht es schleunigst ab in die Klinik zur Notoperation.
Es gibt mittlerweile viele schöne Dokumentationen, die fast die gesamte fachliche Bandbreite abdecken, zum Beispiel über einen Kindernotarzt, der Kindern mit Fieberkrämpfen Zäpfchen in den Po steckt, oder Frauen, die es zur Geburt nicht pünktlich in die Klinik schaffen werden, mit dem Neugeborenen eben dort
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