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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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Clooney, der augenzwinkernd beichten wird, dass er eigentlich gar nicht weiß, wie eine Herzdruckmassage geht, haha, wir auch nicht, Beifall. Dann treten «Die Ärzte» auf. Haha, Beifall. Alle Showgäste müssen einen Erste-Hilfe-Parcours durchlaufen, werden bei jedem Fehler mit Wasser begossen, und ab dem dritten Fehler kommt auch noch Mehl dazu. Und Clooney muss zuerst. Haha, da klatsch ich dann am dollsten Beifall. Doch, ja, ich glaube, die Erstaustrahlung würde ich mir auf jeden Fall angucken!
    Um einfach das Gefühl zu vermitteln, «dabei» zu sein, sollte man aber den interessierten Zuschauer in die Planung einbinden. Man sollte die Realität zeigen, ohne zu schocken. Der Bürger soll sich ja auch auf die eventuell anstehenden Vorsorgeuntersuchungen oder die darauf folgenden Operationen freuen können. Ich empfehle als Starter beispielsweise eine schöne Darmspiegelung, das hat eine ganz eigene Ästhetik – gab es nicht mal eine Schauspielerin, die ihre Darmspiegelung als eine Art Höhepunkt ihrer Karriere vermarktet hat? Ich kann mich nicht mehr an ihren Namen erinnern, vielleicht hätte ich mir den Befund gemerkt, aber ich glaube, der Darm war sauber.
    Was würde der interessierte Fernsehzuschauer denn noch gar zu gerne einmal sehen? Ach, einfach, ich hab’s: eine Herzoperation! Eine komplikationslose Herz- OP dauert je nachdem drei bis vier Stunden. Bei denen mit Komplikationen ist das Ende nach oben hin offen, und auf der Intensivstation geht es dann weiter. «Die Herz-Nacht», eine komplette Operation mit anschließender Fahrt auf die Intensivstation, moderiert von einer Fachkraft für Gefühlsprothetik. Und immer voll drauf mit der Kamera, das ist sicher ein tolles Erlebnis für die Zuschauer, wenn sie sehen, dass da gerade jemand von erfahrenem Fachpersonal den Brustkorb aufgesägt bekommt, und dann wühlen und manschen sie darin herum. Und wenn sie das glitschige Chaos im Griff haben, sitzen drei Stunden später ein paar schöne Bypässe auf der maroden Pumpe.
    Als ein zusätzliches Bonbon für den wissbegierigen Zuschauer wäre noch der stattliche Haufen an Technik zu nennen, der für dieses handwerkliche Kunststück vonnöten ist: eine gartenhausgroße Herz-Lungen-Maschine, der ganze piepende Bildschirm- und Beatmungskram hinter dem blauen Tuch, die das OP -Gebiet von dem der Anästhesie trennt, der sogenannten «Blut-Hirn-Schranke» – die Anästhesie ist das «Hirn». Und wer das alles doch nicht verkraftet, kann umschalten, ausschalten oder sich einen Schnaps einschenken.
     
    Ob man nun
Emergency Room
oder den
Bergdoktor
guckt – immer gibt es eine neue Variante, mittels derer man sich seiner eigenen Unversehrtheit versichern kann. Andererseits haben gerade engagierte Krankenhaus-Serien-Konsumenten erwiesenermaßen viel größere Angst vor einem Routineeingriff als diejenigen, die sich auf diese Sendungen ein Ei pellen, denn immer wieder wird deutlich, dass man durchaus bei einer Routineoperation wie der Entfernung eines Blinddarms sterben kann, weil die Chirurgin gerade Liebeskummer hat, nicht richtig hinguckt und irgendwas abschneidet, was der Körper eigentlich noch ganz gut gebrauchen könnte. Oder weil der Anästhesist gerade erfahren hat, dass seine Frau eine Affäre mit seinem größten Konkurrenten unterhält. Immer hat jemand nachweislich Schuld, das ist ein großer Trost.
    Die dramatischen Verläufe bei eher alltäglichen Eingriffen sind das Salz in der Krankenhaus-Serien-Suppe, hier wird geblutet, geflimmert, hier infizieren sich Wunden, alles hat böse Folgen. Fast immer jedoch gibt es Rettung und Hoffnung, dafür niemals Ärzte- oder Pflegestreiks. Es wird auch nur Blut gezeigt, niemals aber der Patient, wie er bewegungsunfähig – am Tropf hängend und im «künstlichen Koma» – in seinem eigenen Stuhlgang liegt und von zwei übermüdeten Krankenschwestern des Nachts um zwei Uhr gewaschen und in frische blütenweiße Laken gebettet wird. So kann sich jeder den Pflegenotstand in aller Ruhe schöngucken und glauben, dass das der Realität entspricht, was in den Serien gezeigt wird.
    Eines aber vermögen selbst die motiviertesten Serien nicht zu vermitteln: wie sich das wirklich anfühlt, wenn man plötzlich sieht, dass ein Patient einen Herzstillstand hat – diese Mischung aus Schreck, Unglauben und Panik. Und wie alle adrenalingetränkt, schwitzend und mit einem schlagartig lückenhaft wahrgenommenen Zugriff auf ihr persönliches «Verhalten im Notfall» in das Zimmer,

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