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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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all diesen Anstrengungen hat es sich dann auch mit der guten Laune erledigt.
    Nach dem Kaffee huscht Schwester Stefanie gleich weiter; der Tag ist kurz und sie wird gebraucht. Einmal durch die ganze Klinik, es ist faszinierend, wie diese Frau das schafft, ohne schlechte Laune zu bekommen!
    In der Krankenpflege-Szene ist Schwester Stefanie daher eine absolute Persona non grata, eine verräterische Witzfigur, und daran hat sich auch nichts geändert, als «Super-Steffi» irgendwann als Ärztin wieder in die Serie zurückkehrte. Beiläufig hat sie ein komplettes Medizinstudium abgeschlossen und bewegt sich seither im Ärztekollegium, als hätte sie nie etwas anderes getan. Damit war der Zug vollends abgefahren – allein schon durch die Aussage, dass eine Krankenschwester ihre Karriere lediglich mit einem Medizinstudium toppen kann und sonst mit gar nichts.
    Gerade kürzlich kam der Star völlig empört aus einem Zimmer, nachdem sie der Patient gefragt hat: «Und? Was wollen Sie denn mal werden?»
    Der Star war etwas perplex und antwortete: «Ich bin Krankenschwester.»
    «Aaaach, Krankenschwester, das ist doch kein richtiger Beruf! Warum studieren Sie nicht Medizin?», befand der Herr etwas abfällig.
    «Passen Sie mal auf», wurde der Star wütend, «ich habe eine fünfjährige Ausbildung absolviert, und Sie wollen mir erzählen, dass das kein richtiger Beruf ist?»
    So stellt man sich hier im Stiefmütterchenland wohl die Krankenschwester vor: nett, adrett, ohne Arg und ohne Gewerkschaftsausweis, überall einsetzbar, motiviert bis zum Gehtnichtmehr, aber immer auch ein bisschen doof und eher herzensgut als erfahren und fachkompetent.
    Grundsätzlich scheint es für die Krankenschwester lediglich drei Typisierungen zu geben: der fiese, stets übellaunige Drachen, die liebe, artige und hilfsbereite gute Fee oder die finstere Mörderin. Als ich vor etlichen Jahren kundtat, eine Krankenpflegeausbildung zu absolvieren, waren die beiden dümmsten Kommentare: «Na ja, du bist ja auch echt lieb!» und «Das hast du doch nicht nötig!» Daraus lässt sich zum einen schließen, dass eine Krankenschwester einfach nur «lieb» sein muss und sich der Rest dann von alleine erledigt, und zum anderen, dass die Krankenpflege ein widerlicher und ekelerregender Job ist, den im Grunde jeder machen kann, wenn nur ausreichend Ärzte vor Ort sind, die sagen, wo der Hase langläuft. In der Realität sieht es jedoch so aus, dass die meisten Ärzte keinen blassen Schimmer von der pflegerischen Arbeit haben. Dafür kommen sie in den Serien besser weg.
    Der eine oder andere Spaßvogel scheint zudem zu glauben, dass das, was die «lasziven Krankenschwestern» im Pay- TV treiben, auch zu unserem alltäglichen Repertoire gehört und wir es nur besser verstecken, weil unsere Dienstbekleidung nicht aus eng anliegenden Latex-Minikleidchen besteht.
    Ich war eines Morgens schon auf der Hut, als uns ein Mittfünfziger mit schuppigem Haarkranz und Streifenpolizisten-Schnauzbart mit einem öligen «Ooh, guten Morgen, die Damen, das ist ja reizend, dass Sie mich besuchen kommen!» begrüßte.
    Besuchen? Nein. Frau Anzug und ich mussten einen Druckverband an der Leiste des Patienten anlegen, damit die Punktionsstelle des Herzkatheters vom Vortag nicht nachblutet. Der Mann zog auch gleich bereitwillig sein Hemd bis zum Hals hoch und setzte ein schleimiges Grinsen auf. «Nur zu, die Damen!» Frau Anzug und ich guckten möglichst ausdruckslos und legten los: Verband einmal um die Hüfte, dann um den Oberschenkel. Um seine Hoden nicht in dem Verband einzuklemmen, musste ich die auch noch anfassen … Wir zogen den Verband anständig fest, und der schuppige Schnauzbart grinste mich an: «Sie sind wohl auch so eine Schmerz-Erotikerin, was?»
    Frau Anzug stockte hörbar der Atem. Ich weiß nicht, warum ich so cool geblieben bin – vielleicht lag es daran, dass es noch so früh war –, aber ich erwiderte: «Wissen Sie, es interessiert mich überhaupt nicht, wie Sie Ihre sexuellen Defizite ausleben» und zog den Verband straff. Dann klebten wir das Ende der elastischen Binde mit zwei breiten Pflasterstreifen fest und gingen aus dem Zimmer. Draußen auf dem Flur fing Frau Anzug schallend an zu lachen. Der Mann sprach den Rest des Dienstes nicht mehr mit mir. Wie schön, wenn es den Menschen so zügig wieder besser geht: Tags zuvor hatte er noch einen Herzinfarkt, und einen Tag später war er wieder ganz der alte Porno-Bock.
     
    Eigentlich ist die einzige

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