Schwesterlein, komm stirb mit mir
Atem an. Nichts geschah.
Ohne länger zu zögern stürmte sie auf den Wagen zu, riss die Fahrertür auf und stieg ein. Mit zitternden Fingern steckte sie den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn. Der Motor heulte auf, sie gab Gas und rollte aus der Parklücke. Erst als sie bereits auf der A 3 in Richtung Norden raste, beruhigte sich ihr Herzschlag.
Dienstag, 5. November, 10:59 Uhr
Als Birgit Clarenberg das Zivilfahrzeug um die Straßenecke lenkte, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Vor dem Haus, in dem Ruth Kröppke und Kerstin Böhr eine Wohnung angemietet hatten, stand eine junge Frau in Uniform, das Handy am Ohr, und suchte mit den Augen die Straße ab.
«Mist!», stieß Miguel zwischen den Zähnen hervor. «Das ist Kerstin. Irgendwas muss passiert sein.»
Birgit machte eine Vollbremsung vor dem Haus und sprang aus dem Wagen. «Was ist los? Etwas mit Liz?»
«Oh, hallo Birgit. Gut, dass ihr da seid. Ich versuche gerade, Stadler zu erreichen. Frau Montario ist abgehauen.»
«Das darf doch nicht wahr sein!» Miguel knallte die Wagentür zu.
«Das konnte ich doch nicht ahnen», verteidigte sich Kerstin Böhr. «Mir wurde gesagt, dass der Serienmörder hinter ihr her ist. Nicht dass sie sich aus dem Staub machen könnte.»
«Schon gut.» Birgit hob beschwichtigend die Hand und warf Miguel einen wütenden Blick zu. «Kannst du kurz berichten, was passiert ist?»
Kerstin Böhr schien sie gar nicht zu hören. «Verdammt, sie hat meinen Wagen! Ich komm zu spät zum Dienst.» Sie schüttelte wütend den Kopf. «Stadler hätte Ruth und mich besser informieren müssen.» Sie sah Birgit an. «Sorry. Aber es ärgert mich, dass ich von dieser Tussi reingelegt wurde. Sie hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Angeblich wollte sie mit ihrem Vater telefonieren, der im Krankenhaus liegt.» Sie sah die beiden fragend an.
«Ihr Vater liegt wirklich im Krankenhaus», bestätigte Birgit.
«Nach dem Gespräch wollte sie frühstücken kommen. Ich habe nicht so genau auf die Zeit geachtet, doch irgendwann kam es mir merkwürdig vor. Ich klopfte an die Zimmertür. Keine Antwort. Ich merkte, dass abgeschlossen war, und bekam einen Schreck. Natürlich habe ich die Tür sofort eingetreten, weil ich befürchtete, dass sie sich etwas angetan haben könnte.»
«Hat sie nicht», sagte Miguel trocken.
«Nein», bestätigte Kerstin Böhr. «Das Fenster stand offen, und sie war weg. Ich habe mein Handy geschnappt, um Stadler zu informieren, und bin rausgelaufen. Da habe ich gesehen, dass auch mein Wagen verschwunden ist.»
Birgit sah zu Miguel, der beunruhigt das Haus betrachtete.
«Wir brauchen das Kennzeichen des Wagens», sagte er. «Frau Montario könnte in Gefahr sein. Und wir würden gern das Zimmer sehen. Vielleicht hat sie eine Nachricht hinterlassen.»
«Da war nichts», versicherte Kerstin. «Aber ihr könnt gern noch mal nachschauen.»
Sie gingen ins Haus, doch Kerstin Böhr hatte nichts übersehen. In dem Zimmer lagen nur ein paar benutzte Kleidungsstücke, kein Zettel, nichts, was als Hinweis gedeutet werden konnte.
«Hat sie irgendwelche Anrufe bekommen?», fragte Birgit.
«Nur von Stadler. Aber den habe ich entgegengenommen, als sie unter der Dusche war. Er wollte wissen, ob seine Nachricht angekommen ist.»
«Auf welchem Weg wurde die Nachricht überbracht? Und wie sah sie aus?», fragte Birgit.
«Ein Umschlag. Kam vor etwa einer Stunde. Ein uniformierter Kollege hat ihn vorbeigebracht.»
Birgit wechselte einen Blick mit Miguel. Entweder hatte Stadler völlig den Verstand verloren und versuchte, den Fall im Alleingang zu lösen, oder der Täter hatte vor einer Stunde hier vor der Tür gestanden. «Kanntest du den Kollegen, der den Brief gebracht hat?»
«Nein.» Kerstins Mund öffnete sich. «Das war ja wohl nicht …»
«Fahr ins Präsidium», sagte Miguel. «Nimm ein Taxi. Die Kollegen müssen deine Aussage aufnehmen. Lass dir Fotos zeigen. Melde dich bei Paul Heinrichs im KK 11 . Ich kündige dich an.» Er zog sein Handy aus der Tasche.
Während Miguel mit Paul telefonierte und Kerstin Böhr mit einem Taxi um die Straßenecke verschwand, bekam Birgit einen Anruf. Florian Schenk.
«Ich habe Stadlers Schlüssel auf dem Boden vor seiner Wohnungstür gefunden. Und einen Fleck, der aussieht wie Blut. Ein Schnelltest könnte das klären.»
Birgit bemühte sich, ihrer Stimme einen gefassten Klang zu verleihen. «Warst du drinnen?»
«In der Wohnung sieht alles normal aus. Die Zahnbürste
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