Schwesterlein, komm stirb mit mir
er mit seinem Computer anstellen konnte.
Ruben stieg auf und fuhr los. Vielleicht würde die Montario ja mehr in ihm sehen als die dumme Hilfskraft, wenn er ihr seine Rechercheergebnisse präsentierte. Er war sich sogar ziemlich sicher, dass sie das tun würde. Denn dieser Jan Schneider war echt eine krasse Nummer. Und brandgefährlich, das stand fest. Besser, wenn der so schnell wie möglich wieder hinter Gittern landete.
Ein Geländewagen raste vorbei und streifte ihn fast. Scheiße, er hatte vergessen, das Licht einzuschalten. Das war auf der dunklen Landstraße zwischen Himmelgeist und der Universität total leichtsinnig. Rasch knipste er den Schalter an. Sein Handy piepste, und er kippte beinahe um, als er es aus der Hosentasche fischte, ohne die Fahrt zu verlangsamen. «Ja?»
«Ruben?» Carolina schrie, als müsse sie eine lärmende Menschenmenge übertönen.
«Was gibt’s?»
«Bist du unterwegs? Es hört sich an, als wärst du draußen.»
Typisch Carolina, solche unwichtigen Sachen zu fragen anstatt zu sagen, was sie wollte. «Ich muss noch mal in die Uni. Was ist denn los?»
«Ach, ich dachte, wir könnten vielleicht ins Kino gehen. Petra und Carmen kommen auch mit.»
Petra und Carmen. Ruben stöhnte innerlich. «Du, es geht echt nicht. Ich hab zu tun.»
«Es ist Sonntag», maulte Carolina. «Ich hab den beiden schon gesagt, dass du mitkommst. Sie sind neugierig, sie wollen wissen, wie die Montario so ist. Ich hab ihnen erzählt, dass du für sie arbeitest.»
Auch das noch. «Nicht heute.»
«Spielverderber.»
«Ich ruf dich später an, okay?»
«Meinetwegen. Kann aber sein, dass es spät wird. Wir wollen nach dem Kino noch ein bisschen rumziehen.» Sie unterbrach die Verbindung.
Ruben steckte das Handy in die Tasche, wieder schlingerte das Fahrrad gefährlich. Vielleicht sollte er doch Schluss machen. Carolina brachte es irgendwie nicht. Eine wie die Montario, das wäre cool. Es konnte ja nichts schaden, mal in Erfahrung zu bringen, ob die einen Kerl hatte. Und wenn nicht …
Wieder näherte sich von hinten ein Auto. Ruben hielt sich dicht am Straßenrand, damit der Wagen problemlos vorbeikam. Doch der Fahrer schien nicht überholen zu wollen. Ruben steuerte noch weiter nach rechts, er fuhr jetzt auf dem unbefestigten Seitenstreifen, das Rad holperte über die Grasnarbe. Das gleißende Licht und die Motorgeräusche irritierten ihn. Außerdem fühlte er sich merkwürdig ausgeliefert. Er hörte, wie der Fahrer Gas gab. Na endlich. Plötzlich ruckte das Fahrrad, und er wurde nach vorn geschleudert. Ruben versuchte, weiter geradeaus zu fahren, doch die Wucht des Aufpralls riss ihm den Lenker aus der Hand. Er wankte und fiel auf den harten Asphalt. Ein blitzartiger Schmerz zuckte durch sein linkes Bein. Instinktiv rollte er sich zusammen.
Der Wagen glitt vorbei. Ruben fluchte. «Idiot! Rammt mich und fährt einfach weiter.» Er versuchte aufzustehen, doch sein Bein war ganz taub. Weiter vorn hielt der Wagen. Immerhin. Der Kerl schien doch so etwas wie ein Gewissen zu haben. Wieder versuchte Ruben, vom Boden hochzukommen, doch es klappte nicht. Erschöpft sank er in sich zusammen. Vielleicht war das Bein gebrochen. Auch das noch!
Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Wagen wendete. Komisch. Er war doch nur wenige Meter vor ihm zum Stehen gekommen. Warum stieg der Fahrer nicht einfach aus? Der Motor heulte auf. Ruben erstarrte. Verzweifelt versuchte er ein weiteres Mal aufzustehen. Als es ihm nicht gelang, robbte er auf den Straßengraben zu. Die Scheinwerfer blendeten, wurden größer und heller, glühten auf wie zwei riesige Sonnen, dann knallte etwas mit voller Wucht gegen seinen Schädel. Alles wurde dunkel.
Sonntag, 20. Oktober, 21:15 Uhr
Liz lenkte den Golf auf den kleinen Parkplatz vor dem Bahnhof, glitt in eine Lücke und stellte den Motor ab. Erschöpft ließ sie den Kopf auf das Lenkrad sinken. Am liebsten wäre sie schon vor einer Stunde ins Bett gekrochen, mit einer Tasse Tee und einem kitschigen Liebesroman, der irgendwo zwischen rauer Felsküste und malerischen Cottages in Cornwall spielte und sie die hässliche Realität vergessen ließ. Doch ausgerechnet für heute hatte Deborah sich angekündigt. Deborah war wie eine Dampfwalze, laut, schrill und selbstbewusst. Wenn sie Liz besuchte, dauerte es erst einmal gute zwei Stunden, bis sie alles losgeworden war, was ihr unter den Nägeln brannte. Dazu benötigte sie als Verstärkung mindestens eine Flasche Wodka und etwa zwei
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