Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
wollte er mich damit beleidigen.
»Gut. Das bin ich nämlich auch, und jemand, der für mich arbeitet, muss das nicht nur tolerieren, sondern wahrhaftig akzeptieren. Und Sie?«
Er zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme. »Ich gehöre zum Dachsvolk. Ich bin ein Freund von Katrina. Sie sagte, bei Ihnen könnte ich mich ruhig um einen Job bewerben, obwohl Sie ein Vampir sind. Und dass auch schon ein Werwolf für Sie gearbeitet hat.«
Dachsvolk? Waren die jetzt auch in die Stadt gezogen?
Ich verstand, warum er so vorsichtig war. Werwesen und Vampire kamen nicht immer miteinander aus. Aber ich war ja nicht nur irgendein Vampir – ich war obendrein halb Fee, halb menschlich. Und Katrina war eine gute Freundin. Sie war eine Werwölfin und hatte sich ein bisschen in meinen ehemaligen Barkeeper verliebt, ehe der in die Anderwelt fliehen musste, um seine Schwester zu beschützen.
Ich runzelte die Stirn. Mit jemandem vom Dachsvolk hatte ich noch nie zu tun gehabt, und ich wusste kaum etwas darüber, wie sie so waren. Aber er sah wirklich so aus, als würde er keinen Augenblick zögern, schwierige Gäste an die frische Luft zu befördern.
»Erzählen Sie mir doch, was Sie bisher beruflich gemacht haben. Und gehören Sie zu einem Clan, oder sind Sie Einzelgänger?«
»Hab zu einem Clan gehört, aber ich wollte die Stadt kennenlernen und mal sehen, wie das Leben hier so ist. Seattle gefällt mir, aber von hier aus ist es schwierig, Kontakt zu meiner Familie zu halten. Wir bleiben über E-Mail in Verbindung, aber ich sehe sie nur selten.« Er stieß ein langes Seufzen aus, das verdächtig gereizt klang, und ließ sich dann wieder auf dem Stuhl zurücksinken.
»Und Ihre Berufserfahrung?«
»Ich habe fünfzehn Jahre als Barkeeper gearbeitet und kein Problem damit, auch den Rausschmeißer zu machen, und ich bin noch nie gefeuert worden.« Er reichte mir ein Blatt Papier. Zu meiner Überraschung handelte es sich um einen Lebenslauf. Einen ordentlichen, detaillierten Lebenslauf. Normalerweise kamen die Leute bei mir einfach rein und baten um einen Job. Bestenfalls bekam ich mal ein Bewerbungsschreiben.
»Weshalb möchten Sie im Wayfarer arbeiten?« Ich überflog seinen Lebenslauf. Da schien alles in Ordnung zu sein. In meinem Bauch schrillten jedenfalls nicht sofort die Alarmglocken.
»Weil ich einen Job brauche. Sie brauchen einen Barkeeper. Und ich nehme an, Sie werden keinen Aufstand machen, wenn ich mir die Vollmondnächte freinehmen will.« Er beugte sich vor. »Ich bin gut, ich bin loyal, und ich werde hier nüchtern auf der Matte stehen, wann immer Sie mich brauchen. Ich mache keine Frauen an – jedenfalls nicht bei der Arbeit. Wenn Sie Referenzen wollen, rufen Sie meine ehemaligen Arbeitgeber an, die Nummern stehen da drauf.«
Ich starrte auf die Liste. Applegate’s Bar, Wyson’s Pub, die Okinofo Lounge … keine Edelbars, aber auch keine miesen Pinten. Das waren solide Kneipen mit ordentlichem Publikum. Ich stieß die Luft aus und blickte zu ihm auf. »Warten Sie bitte draußen an einem der Tische.«
Nachdem er mit einem Nicken breitbeinig hinausmarschiert war, rief ich ein paar der Bars an. Niemand hatte irgendetwas Schlechtes über ihn zu sagen, und ein paarmal wurde er hochgelobt, obwohl ich da eindeutig eine gewisse Spannung heraushörte. Aber das störte mich nicht weiter – das war oft so, wenn VBM mit Übernatürlichen zu tun hatten. Ich traf meine Entscheidung und ging nach vorn in die Bar.
Derrick hatte eine Cola light vor sich stehen.
Ich glitt auf die Bank der Sitznische, ihm gegenüber. Ich würde ihn wohl einstellen, also ging ich zum Du über. »Trinkst du? Nimmst du Drogen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich trinke manchmal Bier oder einen Whisky, aber nie im Dienst. Drogen und das Dachsvolk sind keine gute Kombination. Wir neigen zum Jähzorn, das gebe ich offen zu. Aber ich kenne meine Grenzen.«
»Okay, das ist mein Angebot.« Ich wies auf die Bar. »Ich brauche dringend jemanden, und zwar sofort. Wenn du noch diese Woche anfangen könntest, am liebsten heute Abend, umso besser. Deine Schicht geht von vier Uhr nachmittags bis zwei Uhr nachts, aber wenn wir Inventur machen, müsstest du auch mal tagsüber arbeiten. Und du musst erreichbar sein und notfalls einspringen können – manchmal kann ich nachts nicht reinkommen, und ich kann nicht immer absehen, wann das der Fall sein wird. Was sagst du?«
Er nickte. »Ich arbeite gern. Ich habe nichts gegen Überstunden. Was ich
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