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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Sie schaute nach unten und sah, dass die Bluse jetzt züchtig geschlossen war.
    »Besser so?«, fragte er.
    »Oh – ja!« Sie hielt kurz inne, um sich zu sammeln, ehe sie mit majestätischer Würde fortfuhr: »Vielen Dank, Elijah. Das war sehr aufmerksam von dir.«

    Einige Sekunden verstrichen. Über ihnen krächzten die Krähen, und das Herbstlaub umhüllte die Äste der Bäume wie lodernde goldene Flammen.
    »Ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht bei etwas helfen könntest, Alice«, sagte er.
    »Wobei denn?«
    Oh, was für eine dumme, dumme Antwort! Du hättest einfach Ja sagen sollen! Ja, ich würde alles für dich tun, Elijah Lank.
    »Es geht um dieses Referat für Bio. Ich brauche einen Partner, der mir bei meinem Projekt hilft, und ich weiß nicht, wen ich sonst fragen könnte.«
    »Was ist es denn für ein Projekt?«
    »Ich zeig’s dir. Wir müssen oben an unserem Haus vorbei.«
    An seinem Haus. Sie war noch nie bei einem Jungen zu Hause gewesen.
    Sie nickte. »Ich fahr nur schnell bei uns vorbei, um meine Tasche abzustellen.«
    Er zog sein Rad aus dem Ständer. Es war fast so ramponiert wie ihres; die Schutzbleche waren rostig, der Kunststoffbezug des Sattels rissig. Dieser alte Drahtesel machte ihn in ihren Augen gleich noch sympathischer. Wir sind ein richtiges Paar, dachte sie. Tony Curtis und ich.
    Sie fuhren zuerst zu ihrem Haus. Sie bat ihn nicht herein; es wäre ihr zu peinlich gewesen, wenn er ihre schäbigen Möbel gesehen hätte, die Wände, von denen die Farbe abblätterte. Sie lief nur rasch hinein, warf ihre Tasche auf den Küchentisch und stürmte wieder hinaus.
    Leider hatte Buddy, der Hund ihres Bruders, in diesem Moment dieselbe Idee. Sie wollte gerade die Haustür hinter sich zumachen, als ein kleines schwarz-weißes Bündel an ihr vorbeischoss.
    »Buddy!«, rief sie. »Komm sofort zurück!«
    »Er folgt nicht besonders gut, wie?«, meinte Elijah.
    »Weil er ein dummer Hund ist. Buddy! «

    Der Köter sah sich kurz nach ihr um, wedelte mit dem Schwanz und trottete weiter die Straße hinunter.
    »Ach, was soll’s«, sagte sie. »Er wird schon irgendwann zurückkommen.« Sie stieg auf ihr Rad. »Wo wohnst du eigentlich?«
    »Ganz oben an der Skyline Road. Warst du schon mal dort?«
    »Nein.«
    »Ist’n ziemlich langer Anstieg. Meinst du, du schaffst das?«
    Sie nickte. Für dich tue ich alles.
    Sie radelten von ihrem Haus los. Alice hoffte, dass er durch die Main Street fahren würde, vorbei an der Milchbar, wo die Jungs und Mädels sich immer nach der Schule trafen, um die Jukebox laufen zu lassen und Limo zu trinken. Sie werden uns zusammen vorbeifahren sehen, dachte sie, und die Mädchen werden sich die Mäuler zerreißen. Sieh mal da: Alice – und Elijah mit den blauen Augen.
    Aber er führte sie nicht die Main Street entlang. Stattdessen bog er ab und fuhr die Locust Lane hoch, wo es kaum Häuser gab, nur die Rückseiten von ein paar Geschäften und den Mitarbeiterparkplatz der Neptune’s-Bounty-Konservenfabrik. Na ja, egal. Immerhin fuhr sie mit ihm, das war doch schon was. So dicht hinter ihm, dass sie zusehen konnte, wie seine Oberschenkel sich strafften, wenn er in die Pedale trat, und seinen Hintern auf dem Fahrradsitz bewundern konnte.
    Er drehte sich zu ihr um, und sein schwarzes Haar flatterte im Wind. »Geht’s noch, Alice?«
    »Alles klar.« Dabei war sie in Wirklichkeit schon ziemlich außer Puste, denn inzwischen hatten sie den Ort hinter sich gelassen und fuhren den Berg hoch. Elijah musste jeden Tag mit dem Rad die Skyline Road hochfahren; für ihn war das also nichts Besonderes. Er schien kaum außer Atem, und seine Beine bewegten sich rhythmisch auf und ab wie die Kolben eines starken Motors. Aber sie keuchte schon heftig
und musste verzweifelt strampeln, um überhaupt nachzukommen. Plötzlich erblickte sie im Augenwinkel ein schwarz-weißes Fellbündel. Sie schaute genauer hin und sah, dass Buddy ihnen gefolgt war. Auch er sah erschöpft aus, die Zunge hing ihm weit aus dem Maul, während er ihnen nachhetzte.
    »Lauf nach Hause!«
    »Was sagst du?« Elijah drehte sich zu ihr um.
    »Es ist schon wieder dieser blöde Hund«, stieß sie atemlos hervor. »Er rennt uns immer noch nach. Er wird – er wird sich verlaufen.«
    Sie warf Buddy einen finsteren Blick zu, doch das dumme Tier trabte weiter munter neben ihr her. Na schön – mach, was du willst, dachte sie. Renn dir nur die Lunge aus dem Leib. Ist mir doch egal.
    Sie fuhren immer weiter den Berg hinauf.

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