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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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fallen zu lassen.
    Sie wachte erst wieder auf, als das Flugzeug schon im Landeanflug auf Boston war. Ihr Kopf schmerzte, und die grellen Strahlen der untergehenden Sonne blendeten sie. Das Kopfweh wurde noch schlimmer, als sie in der Gepäckausgabe stand und zusah, wie ein Koffer nach dem anderen auf das Förderband rutschte – keiner davon ihrer. Und es steigerte
sich zu einem gnadenlosen Hämmern, als sie wenig später in der Warteschlange stand, um eine Verlustanzeige für ihren verschwundenen Koffer aufzugeben. Als sie schließlich lediglich mit ihrem Handgepäck in ein Taxi stieg, war es schon dunkel, und sie wünschte sich nur noch ein heißes Bad und eine tüchtige Dosis Ibuprofen. Erschöpft ließ sie sich in die Polster sinken und schlief erneut ein.
    Sie schreckte hoch, als das Taxi plötzlich bremste.
    »Was ist denn hier los?«, hörte sie den Fahrer sagen.
    Sie streckte sich, rieb sich den Schlaf aus den Augen und sah vor sich flackerndes Blaulicht. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie die Situation erfasst hatte. Dann erkannte sie, dass sie in ihre Straße eingebogen waren, und sie setzte sich mit einem Ruck auf, plötzlich hellwach und tief beunruhigt über das, was sie da sah. Am Straßenrand parkten vier Streifenwagen der Polizei von Brookline; das Flackern ihrer Rundumlichter durchschnitt die Dunkelheit.
    »Sieht nach einem Notfall aus«, sagte der Fahrer. »Das ist doch Ihre Straße, oder?«
    »Ja, und das da vorn ist mein Haus. Genau in der Mitte des Blocks.«
    »Wo die ganzen Polizeiautos stehen? Ich glaube kaum, dass die uns durchlassen werden.«
    Wie zur Bestätigung seiner Worte kam ein Streifenpolizist auf den Wagen zu und bedeutete ihnen umzukehren.
    Der Taxifahrer steckte den Kopf aus dem Fenster. »Ich muss einen Fahrgast absetzen. Die Dame wohnt hier in der Straße.«
    »Tut mir Leid, Kumpel. Der ganze Block hier ist abgesperrt.«
    Maura beugte sich vor und sagte zum Fahrer: »Hören Sie, lassen Sie mich einfach hier raus.« Sie bezahlte, nahm ihre Tasche und stieg aus. Noch vor wenigen Sekunden hatte sie sich matt und benommen gefühlt; jetzt schien die Luft des warmen Juniabends förmlich vor Spannung zu vibrieren. Sie ging langsam auf die Gruppe der Schaulustigen zu, und ihre
Unruhe wuchs, als sie all die Einsatzfahrzeuge vor ihrem Haus erblickte. War einem ihrer Nachbarn etwas zugestoßen? Eine ganze Reihe furchtbarer Möglichkeiten schoss ihr durch den Kopf. Selbstmord. Mord. Sie dachte an Mr. Telushkin, den unverheirateten Ingenieur für Robotertechnik, der gleich nebenan wohnte. Hatte er nicht auffallend niedergeschlagen gewirkt, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte? Sie dachte auch an Lily und Susan, ihre Nachbarinnen auf der anderen Seite; zwei lesbische Anwältinnen, die wegen ihres Engagements für die Rechte von Homosexuellen oft im Rampenlicht standen und entsprechend gefährdet waren. Dann erblickte sie Lily und Susan, die am Rand des Menschenauflaufs standen und beide sehr lebendig aussahen, und ihre Befürchtungen konzentrierten sich wieder auf Mr. Telushkin, den sie nicht unter den Schaulustigen entdecken konnte.
    Lily blickte sich um und sah Maura auf die Gruppe zukommen. Doch sie winkte ihr nicht zu, sondern starrte sie nur wortlos an und stieß Susan heftig in die Seite. Susan drehte sich um, und ihre Kinnlade klappte herunter. Jetzt richteten sich auch die verwunderten Blicke der anderen Nachbarn auf Maura.
    Warum schauen sie mich alle so an?, fragte sich Maura. Was habe ich denn getan?
    »Dr. Isles?« Ein Streifenpolizist vom Brookline-Revier stand plötzlich vor ihr und glotzte sie mit offenem Mund an. »Sie … Sie sind es doch, oder?«, fragte er.
    Was für eine blöde Frage, dachte sie. »Das da ist mein Haus. Was geht hier eigentlich vor, Officer?«
    Der Polizist ließ den Atem stoßartig entweichen. »Äh, ich denke, Sie sollten besser mitkommen.«
    Er nahm sie am Arm und führte sie durch die Menge. Die Nachbarn wichen scheu zur Seite, wie um einem Todeskandidaten Platz zu machen, der auf dem Weg zur Hinrichtung war. Die Stille war unheimlich; das einzige Geräusch war das Knacken und Rauschen der Polizeifunkgeräte. Sie
kamen zu einer Sperre aus gelbem Polizeiband; ein paar der Stangen, zwischen denen es gespannt war, steckten in Mr. Telushkins Vorgarten. Er ist so stolz auf seinen Rasen; da wird er alles andere als begeistert sein – das war ihr erster, absolut sinnloser Gedanke. Der Streifenpolizist hob das Band an, und sie schlüpfte mit gesenktem

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