Schwindel
hielten uns an den Händen fest,
schaukelten wie Kinder die Arme hin und her und sahen uns wehmütig an.
»Können wir nicht noch mal in den Urlaub fahren, Eva? Einfach so tun, als wäre das hier nicht gewesen?«
»Das wäre verrückt, wenn man alles, was im Leben nicht gut gelaufen ist, einfach zurückspulen und noch mal versuchen könnte.«
»Bei den meisten Sachen geht das nicht. Aber mit uns könnte das Leben doch eine Ausnahme machen?!« Julian strahlte mich an,
seit Langem einmal so wie damals, als ich mich in ihn verliebt hatte.
»Wir werden sehen«, wich ich aus und war froh, dass der Zug kam.
Julian trug mir den Rucksack ins Abteil und winkte wie blöde. Vorher hätte er sich mal anstrengen sollen, dachte ich zornig
und winkte nur einmal zurück. Auf Nimmerwiedersehen, Munkelbach.
Koblenz, Bonn, Düsseldorf. Keine Zugverspätungen, keine Lust, Tagebuch zu schreiben. Alles anders.
Aber kurz vor meinem Zielbahnhof rief mein Vater an: »Eva, wann kommst du jetzt noch mal genau? Wir haben hier nämlich ein
Problem mit der Baustelle …«
33
»Ach, nein!« Der Fuchs klopfte sich amüsiert auf den Oberschenkel. »Deine Eltern haben dich nicht abgeholt? Das hat der Sache
noch die Krone aufgesetzt, was?«
»Ja.« Obwohl ich bei ihm nie wusste, ob er mich mit seinen Späßen nur auflockern wollte oder nicht doch vielleicht auf den
Arm nahm, musste ich auch lächeln. »Gut, sie wussten nicht, was passiert war. Als Julian und seine Freunde mich Samstagnacht
gesucht hatten, waren sie nicht auf den Gedanken gekommen, meine Eltern anzurufen. Sie hatten ja Mirko sofort im Verdacht.
Olga hatte nämlich zufällig gesehen, wie ich aus der Disco gestürzt und zu Mirko in den Jeep gestiegen war. Julian rief die
Polizei. Die muss wohl auch gleich eine Verbindung zwischen meinem Verschwinden und dem Fall Alina gezogen haben, denn Mirkos
Vater hatte am Vormittag schon eine Aussage gemacht und zugegeben, Alina nach einem heftigen Streit im Wald bei der Ruinestehen gelassen zu haben. Da ging es wieder um die Internetseite. Natürlich hatte Mirko die fiesen Fotos von Alina ins Netz
gestellt und Alina wollte, dass sein Vater, also ihr Freund Bernd, Mirko bestraft oder zumindest dazu bringt, sich zu entschuldigen.«
Der Fuchs runzelte nachdenklich die Stirn. Da ich nicht wusste, ob er mir durch den Wirrwarr von fremden Namen folgen konnte,
ergänzte ich: »Mirko hatte auf dem Schulfest ja wieder Fotos geschossen. Das hat die Diskussion zwischen den beiden neu angefacht.
Sie müssen wissen, Mirko ist ein hinterhältiger, missgünstiger Mensch. Der Mord …«
Ich hatte mich mal wieder im Fuchs getäuscht, er hatte genau zugehört und unterbrach mich sofort: »So wie ich es verstanden
habe, ist es nicht klar, ob es wirklich Mord war.«
»Ja, schon«, rief ich etwas ungehalten, weil mir dieses vorläufige Ende der Geschichte überhaupt nicht gefiel. »Die Polizei
hat bei Alina keine Hinweise auf Fremdeinwirkung gefunden und Mirko behauptet, er wäre in der Nacht zwar mit seinem Mountainbike
in den Wald gefahren, um die beiden zu belauschen, und er hätte Alina auch erschreckt – aber das eben nicht absichtlich.«
Sarkastisch fügte ich hinzu: »Mirko macht nämlich nie irgendwas mit Absicht. Der arme Junge hatte ja nur Angst vor seinem
Vater, wollte ja eigentlich nicht lauschen, sondern sich vielleicht sogar für die Internetgeschichte entschuldigen. Auch mit
mir wollte er nur reden und mich keinesfalls erschrecken, als er mir den Drohbrief schrieb, mir mein Handy wegnahm, mit mir
in den Wald fuhr …«
Der Fuchs nickte.
Ich kämpfte mit den Tränen. »Aber das stimmt nicht, denn warum hat er Alina fotografiert, wenn er sie angeblich nicht erschrecken
wollte? Und warum hat er ihr nicht geholfen, als sie den Steilabbruch heruntergestürzt ist? Mirko konnte ja nicht wissen,
dass sie den Sturz nicht überlebt hatte. Er hätte eher davon ausgehen müssen, dass sie nur leicht verletzt war! Er hätte doch
Hilfe holen müssen! Wie auch immer das Ganze ausgeht:
Ich
weiß, dass Mirko schuldig ist, auch wenn er sie nicht mal berührt hat. Er hat ihr Angst gemacht, solche Angst, dass sie kopflos
weggerannt ist, obwohl sie hundertprozentig von den Steilabbrüchen wusste. Bei mir hat er’s ja genauso versucht, als er gemerkt
hat, dass ich kein Verständnis für ihn hatte, dass ich nicht so bin wie er. Ich war zwar auch eine Zeit lang eine Ausgeschlossene,
aber ich wollte mich
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