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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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    Sollte ich versuchen zu fliehen? In das unbekannte Dunkel hinein, in dem Alina umgekommen war? Mit meinem Schwindel und in
     den hohen Schuhen? Hatte ich da eine Chance? Gab es denn keine andere Möglichkeit?
    So sanft und gefasst wie nur eben möglich schob ich Mirko von mir weg, wischte mir die Tränen ab und sagte: »Ist gut. Ich
     glaub dir. Aber ich sehe bestimmt furchtbar aus. So kann ich nicht in die Eisdiele. Hast du ein Taschentuch für mich?«
    »Natürlich.« Er beugte sich nach hinten, öffnete die Tasche, die auf dem Rücksitz stand, behielt mich aber im Blick.
    Die Tür aufreißen und hinaushechten? No way.
    »Danke. Da vorn gibt’s Wasser. Kannst du’s mir anfeuchten?«
    »Selbstverständlich.«
    Überlegte er, den Zündschlüssel abzuziehen? Wozu? Er wusste, dass ich erst 16 war und nicht Auto fahren konnte. Mir scheinheilig
     zuwinkend ging Mirko rückwärts zum Quellwasserhahn. Kaum war er dort angekommen, brauchte ich zwei Sekunden, um das Innenlicht
     einzuschalten, und sieben weitere, um herauszufinden, wo der Knopf für die Zentralverriegelung war. AlsMirko Lunte roch und zum Auto zurückhechtete, machte es ein klackendes Geräusch: Er war aus-, ich eingesperrt.

30
    »Was soll das? Mach auf!«
    Nie im Leben. Wenn ich schon nicht flüchten konnte, würde ich mich eben so seinem Zugriff entziehen: er draußen, ich drinnen.
    »Ich dachte, wir sind Freunde!« Mirko versuchte es auf die weiche Tour, setzte ein trauriges Gesicht auf, tat so, als fröre
     er furchtbar. »Das ist nicht witzig, was du machst. Es ist kalt hier draußen!« Und jammernd: »Jetzt mach schon auf, komm!«
    Ich hatte immer schlecht Nein sagen können. Auch jetzt überlegte ich tatsächlich noch einmal, ob ich Mirko unrecht tat. Was
     wusste ich denn sicher über ihn, außer dass er mein Tagebuch gelesen hatte? Konnte ich beweisen, dass er dessen Inhalt nicht
     wirklich erst seit dem Nachmittag, sondern schon eher kannte? Ich versuchte, mir unsere Begegnung heute Morgen ins Gedächtnis
     zu rufen, Mirkos hochtrabenden Spruch: »Schwindel ist das halbe Leben.« Erst dachte ich, er hätte Schwindel im Sinne von Lüge
     gemeint. Aber dann war er sofort darauf gekommen, dass mir schwindelig sein könnte. Zufall?
    Jetzt drückte er sein Gesicht an die Scheibe. »Eeeeva! Die Sache mit deinem Tagebuch tut mir wirklich leid. Aber du darfst
     nicht denken, dass ich irgendjemandem davon erzählen würde. Mensch, ich hab das Buch meinemVater weggenommen und eigentlich wollte ich es dir gleich feierlich in der Eisdiele zurückgeben, aber wenn du mir die Tür
     aufmachst, kannst du’s jetzt schon haben.«
    Lass dich nicht beirren! Wie war das heute Morgen? Da war Bernds übermäßig heftige Erschütterung über die Todesnachricht Alinas,
     die ich mir jetzt, da ich von der Beziehung der beiden wusste, natürlich erklären konnte. Aber Mirko   … wie hatte der eigentlich darauf reagiert? Ich erinnerte mich nicht mehr genau: Er war betroffen, sicher, aber war er auch
     überrascht gewesen?
    Besser nicht weiterdenken! Mirko war bis zum Schluss auf dem Fest gewesen, oder nicht?
    »Eva, bitte, lass mich rein! Es fängt an zu regnen. Denk doch mal an dein Tagebuch!«
    Denk lieber an dein Überleben!
    »Zum letzten Mal, Eva: Mach die Türen auf! Es ist mein Auto. Du hast kein Recht, mich auszusperren.«
    Ich lehnte mich im Sitz zurück. Eins nach dem anderen. Nicht ausflippen, an den Fuchs denken, erst beruhigen, dann handeln,
     Worte finden, sprechen: »Verschwinde, Mirko! Ich mache erst auf, wenn du Julian herholst.«
    »Bist du bescheuert? Wie soll ich das machen? Mein Handy funktioniert hier auch nicht!«
    »Dann geh zu Fuß.«
    »Was hast du gesagt?« Er hämmerte mit den Fäusten gegen das Fenster. »Was willst du von mir, Eva? Glaubst du, du kannst mich
     fertigmachen?!«
    »Ich will, dass du Julian anrufst. Er soll herkommen und mich abholen.«
    War das ein kluger Plan? Hoffentlich!
    Mirko griff in seine Jacke, erstarrte. Im nächsten Moment wusste ich, was los war. Sein Handy lag auf dem Fahrersitz.
    »Gib’s mir raus! Wirf es von mir aus! Ich geh ’nen Schritt zurück.« Seine Stimme bekam einen hysterischen Unterton. »Dann
     mach ich’s, versprochen.«
    Ich nahm das Handy in die Hand. Mirko begann zu toben. »Gib’s mir, Eva! Du willst hier raus! Du kannst gleich nicht mehr!
     Denk an deine Panikattacken! Du krepierst sonst noch in dem Auto!«
    Sein Gezeter machte mich nervös. Ich drehte die Musik lauter, um es nicht

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