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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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aber er kam nicht darauf. Der Mann im Bordell hatte älter ausgesehen.
    Das brachte Ian zur Frage nach dem „Wann“. Bedeutete Zeit hier überhaupt etwas? Verfloss sie? Verging sie? Und wenn ja, wie schnell?
    Diese Welt stagnierte, wie es schien. Doch offenbar nicht vollständig, sonst hätte er Sutton zum gleichen Zeitpunkt wiedergetroffen, an dem er ihn verlassen hatte. Also mochte der Zeitfluss zwar eine andere Geschwindigkeit aufweisen, aber zumindest bewegte er sich vorwärts.
    Doch zurück zur Frage: Wer?
    Der Wolf war ein weiteres Rätsel. Das Tier hatte ihn wild angegriffen, jedoch in der Scheune mit Sutton weniger gefährlich gewirkt. Dieser Schein mochte trügen. Oder es mochte sich um einen anderen Wolf handeln, der nur identisch aussah. Vielleicht gab es einen guten und einen bösen Wolf? Es mochte jedoch auch sein, dass beide Aspekte der gleichen Kreatur waren. Wenn das so war, wie groß waren die Überlebenschancen der anwesenden Menschen?
    Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Ian wusste, sein Freund war in Gefahr. Und die Frau auch.
    Natürlich auch Ian. Er blickte sich wieder um. Keine Spur von Wolf, Soldat oder Rabenmann.
    Auch gab es keine alte Frau. Die Stimme hatte ihm eine Szene vorgespielt, die nur Teil eines verinnerlichten Repertoires war. Sie wiederholte unausweichlich immer wieder ihren Todeszeitpunkt.
    Doch wie war sie hierhergekommen? Wie war sie Teil dieses Musters geworden? Denn er konnte durchaus ein Muster erspüren. Sehen konnte er es noch nicht. Er fühlte sich ein wenig wie ein Blinder, der einen bunten Teppich mit nichts als seinem Tastsinn beschreiben soll.
    Die Welt verschob sich wieder. Er blickte zum Hügel. Dies war der Mittelpunkt der Welt, und wenn er denn irgendwohin gehen sollte, dann dorthin.
    Die Alternative war, zum Horizont zu gehen und dort sein Glück zu versuchen. Er beobachtete, wie der Nebel am Rand seines Gefängnisses wallte. Wann immer er sich darauf konzentrierte, schien dieser sofort näher zu kriechen. Das gefiel Ian nicht im Mindesten.
    Ein Grund, dort nicht hinzugehen.
    Es mochte allerdings genauso gut sein, dass man ihm da nur das Denken vernebeln wollte und der Rand die Lösung beinhaltete.
    Hügel oder Nebel?
    Auf dem Hügel würde er wieder dem weißen Fels begegnen. Den mochte er nicht. Denn Luft war Fels, und Fels war Feuer, Feuer war Wasser, und Wasser wurde zu Luft. Er verstand nicht, was es bedeutete.
    Die Welt verschob sich gleich noch einmal. Ian machte sich auf den Weg zum Hügel.

Kapitel 63

    U nter ihm zog sich der Wald . Wie ein grünes Meer in grauer Zeit wogten die Nadelbäume. Die frostige Novemberluft trug Karreg. Er fror nicht. Er hatte schon lange nicht mehr gefroren. Ein Teil von ihm sehnte sich danach, um zu wissen, dass er doch noch lebte. Ein anderer hatte niemals gefroren, wusste nicht, wonach er sich sehnte.
    War schon alles zu spät? W ürde er ewi g das bleiben, was er heute war? Schon seit Jahren hatte er sie nicht mehr gesehen, die grauen Gefährten, die damals allenthalben in den Wäldern jagten. Die Menschen hatten sie ausgerottet. Dabei gehörten sie hierher. Sie waren Teil dieses Waldes gewesen, seit Urzeiten. Ihr Heulen war die Musik der Wildnis. Doch die Wildnis nahm in dem Maße ab, in dem Menschen ihr Teile entrissen, um ihnen Nutzen abzuringen, sie in das Gerüst von Ernte und Ertrag zu pressen.
    Menschen waren so. Sie mussten so sein, um zu überleben.
    Sein Flügelschlag ließ ihn gleiten. Er versuchte, etwas zu fühlen, das er eben noch gefühlt hatte. Doch das Ungleichgewicht seiner sich selbst so oft widersprechenden Emotionen machte ihn manchmal starr und gefühllos und ließ ihm nichts als die vage Erinnerung daran, was er eben noch verspürt hatte.
    Konstanze. Er war nie ein Mann gewesen, der ein besonderes Interesse an Frauen hatte. Doch hatte es Frauen gegeben, die er für eine kurze Zeit hatte lieben können. Vielleicht liebte er diese ja, und es gelang ihm nur nicht, die Emotion genau zu erspüren. Die Liebe, die sie ihm gegeben hatte, hatte sich angefühlt wie ein Erbstück, das nun eine Fremde trug.
    Sie hatte ihm Lebenskraft geschenkt, Teile von ihrem eigenen Leben. Zwischen Lust und Hoffnung hatte es ein Gefühl von Wärme gegeben. Er vermisste Wärme so sehr , wie er Leben vermisste. Beides fehlte ihm in hohem Maße.
    Wenn es ihr gelang, ihre Aufgabe zu erfüllen, ohne dabei zu sterben, vielleicht würde er sie dann lieben können?
    Doch wenn sie seinen Plan überlebte, so würde er sie

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