Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
dass Bruder Anselm im Hintergrund vor sich hin murmelte und bestimmte Gesten mit den Händen vollführte. Wann immer der Meister des Arkanen sein besonderes Talent einsetzte, wurden die Menschen ganz besonders aufgeschlossen und redselig.
Leider tat inzwischen tatsächlich die Ablösung Dienst, und ganz gleich wie eifrig die Herren Beamten Seiner Majestät des Königs waren, sie wussten einfach nichts. Nichts zu wissen war freilich inakzeptabel, und so waren die beiden Mönche alsbald auf dem Weg zum „Schwarzen Schwan“, dem Lieblingsgasthof eines Grenzers namens Xaver Heimsmeyer.
„Hatten Sie nicht gesagt, Sie hätten sich Notizen gemacht?“, fragte Bruder Anselm giftig und wischte sich den Regen aus dem Gesicht.
„Natürlich habe ich das“, erwiderte Bruder Marcus und zog ein kleines Notizbüchlein mit Bleistift hervor, als würde dies seine Bemühungen beweisen.
„Und warum müssen wir dann diesem Mann nachgehen, um ihn noch einmal zu befragen?“
Die Frage war unnötig und auch nicht besonders schlau, dachte Bruder Marcus bei sich; sie erklärte sich quasi von selbst. Freilich sagte er das nicht, sondern verneigte sich respektvoll.
„Ich habe es versäumt, mir Notizen zu den Lieblingswirtshäusern der Beamten zu machen. Ein Versäumnis meinerseits, in der Tat.“
Bruder Anselm schnaubte verächtlich.
„Solange Ihnen das wenigstens klar ist!“
„Vergeben Sie mir, Bruder!“
Vielleicht lag ja Vergebung in dem übellaunigen Räuspern, das der christliche Magier von sich gab. Was für ein Narr! Mit Sicherheit hatte er die Fähigkeit, ihr Fortkommen weniger nass zu machen. Und ganz sicher tat er nichts dergleichen, weil zum einen die Anwendung seiner heiligen Begabung für seine eigene Bequemlichkeit sündhaft gewesen wäre, während ein Einsatz seiner Fähigkeiten für sie beide bedeutet hätte, dass er einem Bruder niederen Ranges einen Gefallen tat.
Also wurden sie beide nass und immer nässer. Der Regen war längst bis auf die Haut vorgedrungen, und Bruder Marcus trug die Unbill wie ein Kreuz. Es war die heutige Prüfung. Morgen schon würden Schmerz und Frustration andere Wege finden. Er vergaß nie das Wort der Aufmunterung, das ihm die Heilige Schrift gab. Nimm es an, mein Sohn, wenn der Herr dich hart anfasst! Verlier nicht den Mut, wenn er dich schlägt! Denn wen der Herr liebt, den erzieht er mit Strenge; und wen er als seinen Sohn annimmt, dem gibt er auch Schläge. In dem Augenblick, in dem wir gestraft werden, bereitet uns das nicht Freude, sondern Schmerz. Aber später bringt es denen, die durch diese Schule gegangen sind, als Frucht Frieden und Gerechtigkeit.
Er bewegte jene Worte in seinem Herzen, während er durch die immer dunkler werdende Stadt lief. Fast konnte er die Frustration seines Bruders spüren, konnte ihm die Kälte und die Nässe nachempfinden und hätte ihm gerne gesagt: Nimm es an, mein Bruder, wenn der Herr dich hart anfasst! Denn wen der Herr als seinen Sohn annimmt, dem gibt er auch Schläge.
Denn das waren sie: Gottes Kinder. Und für Gottes Kinder schritt er tagein, tagaus hinaus und vollbrachte sein heiliges Werk, jagte das Unnatürliche und trug seinen höchstpersönlichen Teil zum Untergang des Bösen bei. Mit geradem Rücken und gebeugtem Haupt auf dem Pfade der Rechtschaffenheit.
Er tat, was er konnte. Schließlich war er noch nicht sehr erfahren.
Das Wirtshausschild schaukelte im Wind, der nun stetig aus Osten blies. Es war eine unangenehme Brise, die dafür sorgte, dass ihre Kleidung kalt an ihren Leibern klebte.
Bruder Marcus öffnete die Tür und trat ein. Das Wirtshaus war klein und schummrig. Nur eine Handvoll Leute saß an groben Tischen und trank aus ihren Bierkrügen.
Herr Xaver Heimsmeyer konnte alsbald ausgemacht werden. Sie setzten sich zu ihm, und während Bruder Anselm murmelte und sich die Hände rieb, vergaß Herr Heimsmeyer auch schon wieder, dass die beiden Tischnachbarn nicht schon sein Leben lang seine Freunde gewesen waren. Er bestellte ihnen etwas zu trinken und grinste sie offenherzig an. Bruder Marcus musste sich daran erinnern, dass die Manipulation, der der Mann ausgesetzt war, einem heiligen Zweck gereichte.
Letztlich kam es immer nur auf diesen guten Zweck an.
„Ein Boot?“, fragte der Mann. „Hier gibt’s viele Boote. Drei Flüsse; zu wenige Brücken. Hier kommt man ohne Boote nicht aus.“
Aber ein Boot, das sich dem Dampfschiff näherte?
„Schmuggler“, sagte der Mann. „Wo es Grenzen gibt, gibt es freilich
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