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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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    Sie hatte zierliche Händchen. Doch die Kraft darin war erstaunlich, aus lauter Angst geboren. Sie verpasste ihm eine saftige Ohrfeige.
    Er sprang von ihr fort und hielt sich die Wange. Sie starrte ihn an, sah dann zur Tür, schließlich zum Fenster. Sie verlagerte ihr Gewicht. Ein Ausdruck völliger Verzweiflung und Entschlossenheit ging über ihr Gesicht. Gleich würde sie springen. Das Fenster war geschlossen und mit Vorhängen verhängt.
    Wie er so schnell hatte sein können, wusste er nicht. Schon stand er zwischen ihr und dem Fenster und streckte ihr seine leeren Hände entgegen.
    „Bitte nicht!“, sagte er. „Tun Sie das nicht. Ich helfe Ihnen …“
    Da rannte sie bereits in Richtung Tür. Er hatte kein Recht, sie aufzuhalten, doch er glaubte nicht, dass sie in der Obhut der Bordellwirtin und ihres Schlägers besser aufgehoben war.
    Er bekam sie zu fassen, als sie gerade die Türklinke herunterdrücken wollte. Von hinten schlang er seine Arme um sie und hob sie hoch. Sie trat ihm gegen beide Schienbeine.
    „Autsch! Verdammt!“
    Er schwang sie herum und war dankbar, dass sie so zierlich war. Er war nicht eben ein Herkules. Wo sie klein und dünn für eine junge Dame war, war er klein und dünn für einen jungen Mann.
    „Setzen Sie sich!“, befahl er. Und dann nahm er all seine Konzentration und Willenskraft zusammen, an denen er in den letzten Monaten gearbeitet hatte, und wiederholte: „Hinsetzen. Jetzt. Sofort!“
    Er hatte sie nicht angebrüllt. Tatsächlich hatte er nur geflüstert.
    Sie setzte sich aufs Bett nieder und zitterte. Tränen rannen ihr übers Gesicht.
    Er nahm sich den einen Stuhl und setzte sich ihr gegenüber.
    „Sie gehören nicht hierher“, konstatierte er. Es war keine Frage. Sie gehörte gewiss nicht hierher. Sie nicht – und er auch nicht.
    Jetzt verbarg sie ihr Gesicht in den Händen. Ein Teil ihrer überwältigenden Aura schien mit den Tränen davonzufließen. Sie war nur ein Kind. Doch war etwas an ihr. Sutton hätte er jetzt gut zur Unterstützung gebrauchen können.
    Sutton war beschäftigt.
    „Hören Sie zu“, begann er. „Ich bin nicht hier, um Ihnen wehzutun. Ich helfe Ihnen. Das verspreche ich. Ich bin kein Mann, der ein Mädchen gegen seinen Willen zwingt.“
    Sie sah nicht einmal hoch. Ihre zuckenden Schultern verrieten, dass sie weinte. Es war wohl besser, wenn er sie nicht anfasste, sonst würden sie gleich die zweite Runde einläuten.
    „Wie sind Sie nur hierhergekommen?“
    Sie murmelte etwas Unverständliches.
    „Vielleicht“, fuhr er fort, „sollten wir noch mal von Anfang an beginnen. Ich heiße Ian McMullen. Ich werde Ihnen nichts tun. Und jetzt sagen Sie mir, wer Sie sind.“
    „Clarissa Thernow.“ Sie konnte ihn immer noch nicht ansehen.
    „Fräulein Thernow, wie kommt es …“
    Diesmal sah sie zu ihm hoch, riesige, blattgrüne Augen blickten eine Sekunde lang in seine. Ihm stockte der Atem. Dann sah sie wieder herunter.
    „Die haben mich gefangen genommen. Da war ein Mann …“
    Jetzt zitterte sie noch mehr.
    „Ein Mann – der hat Sie verschleppt?“
    Sie nickte.
    „Aus Ihrem Elternhaus?“
    Die dunklen Locken wippten, als sie den Kopf schüttelte.
    „Also, wie …?“
    „Wir waren unterwegs, Fräulein Vanholst und ich. Sie ist meine Gouvernante.“
    Einen Augenblick lang schien sie zu Stein zu werden. Dann zerschmolz sie zu neuer Verzweiflung, rutschte auf den Fußboden, kniete dort, ihr Gesicht den Dielen zugewandt. Ein kleines Häuflein Mensch.
    „Sie ist tot!“, jammerte sie. „Sie haben sie umgebracht. Sie haben sie bewusstlos geschlagen und in den Fluss geworfen. Sie ist tot.“
    Ihre Trauer war beinahe ansteckend. Ian wusste nicht, was er sagen sollte. Sie zum Trösten in den Arm zu nehmen war undenkbar.
    Er musste nachdenken. Wenn diese Leute junge Mädchen verschleppten und ihre Lehrerinnen ermordeten, dann ging es hier um mehr als nur Unzucht. Hier handelte es sich um Kapitalverbrechen. Also musste er vorsichtig sein, denn vermutlich hätte es niemand gerne, wenn er zu viel wusste. Und mit dem Mädchen auf und davon gehen würde man ihn auch nicht lassen. Er begriff, dass die Bordellleiterin nicht alles gewusst haben konnte, sonst hätte sie ihm das Mädchen wohl kaum angeboten. Oder doch? Der Schläger hatte sie immerhin gewarnt.
    Vorsichtig tippte er dem Mädchen mit den Fingerspitzen auf die Schulter. Sie zuckte zusammen, aber wenigstens ohrfeigte sie ihn nicht noch einmal.
    „Wir müssen genau und sorgsam

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