Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
hatte.
Sie erinnerte sich an seinen Gesichtsausdruck, als er das Mädchen betrachtet hatte. Wenn seine so erstaunlich hellen Augen auch nur einen Hauch von Gier gezeigt hätten, hätte Konstanze nicht gewusst, was sie tun sollte. Doch etwas gänzlich anderes hatte darin gelegen, Erinnerung, Nostalgie und vielleicht ein wenig Traurigkeit.
Herr von Rosberg half ihr. Seine Gründe dafür gingen nur ihn etwas an. Vielleicht war seine Hilfe ja auch ein Teil der versprochenen Unterstützung jenes anderen Mannes, der ihre Kleidung getrocknet hatte, um sie dann im Regen stehen zu lassen.
Konstanze fragte sich, ob es sinnvoll war, Herrn von Rosberg dar über zu berichten. Vielleicht würde er ja wissen, wem sie da begegnet war . Sie grübelte darüber nach. Lieber nicht. Man hatte ihr ohnehin verboten, darüber zu sprechen, und was konnte sie schon sagen? Nichts, das sie nicht wie eine entsprungene Verrückte klingen ließ.
Sie waren nun in der Stadt. Es war inzwischen so dunkel, dass man im Regen fast nichts sehen konnte. Ab und an leuchtete eine vereinzelte Straßenlaterne eher spärlich vor sich hin. Die Menschen in den Häusern hatten die Vorhänge zugezogen oder waren schon zu Bett gegangen.
Der Reiter hielt an und stieg nach vorn ab, indem er sein rechtes Bein über den Hals des Pferdes schwang. Dann wandte er sich Konstanze zu, um ihr vom Pferd zu helfen. Sie rutschte in seine Hände. Einen Augenblick lang standen sie einfach so da, und sie wunderte sich, wie selbstverständlich ihr seine Berührung war. Sie riss sich zusammen. Zu spät, um noch ihr Gesicht von den Tränen zu befreien. Sie schob energisch ihr Kinn vor.
„Angst?“, fragte er rau.
„Nein. – Doch.“
„Sie haben allen Grund, Angst zu haben.“
Er zog eine Pistole aus den Satteltaschen. Lieber Himmel! Normalerweise reiste man doch nicht mehr bewaffnet durch die Lande.
Flink ließ der Mann die Waffe unter seinem Mantel verschwinden. Das spärliche Licht beleuchtete sein Profil nur ungenügend, doch seine Züge trugen den Ausdruck grimmiger Entschlossenheit.
„Sie bleiben hier, während ich reingehe. Widersprechen Sie nicht, Sie würden doch nur stören. Sollte es Ihnen auffallen, dass man mich kopfüber im Fluss versenkt, dann rennen Sie diese Straße immer weiter runter. Halten Sie nicht an, bevor Sie am Hafen sind. Dort gibt es die Hafengendarmerie und die Grenzer. Die holen Sie dann. Aber geben Sie mir Zeit, erst einmal zu verhandeln. Hier rüber. Verbergen Sie sich in dem Eingang. Versuchen Sie, nicht aufzufallen. Dies ist keine Gegend für Gouvernanten.“
Sie fragte nicht nach, kroch nur in die Schatten. Ihr Herz hielt sich nicht an die Anweisung, ruhig zu bleiben, und schlug wie wild vor Furcht. Die Kerle hatten versucht, Konstanze zu ermorden, und konnten nicht wissen, dass sie tatsächlich überlebt hatte. Vermutlich würden sie eher ungern die einzige Zeugin eines Kapitalverbrechens wieder hergeben. Wahrscheinlich würden sie eher dazu tendieren, jeden, der irgendwas über die Geschichte zu wissen schien, ebenfalls vom Leben zum Tode zu befördern.
Sie schickte einen völlig Fremden in den Kampf mit Kriminellen. Vielleicht sollte sie ihm doch besser nachlaufen. Oder sie sollte sich sofort auf den Weg machen, um die Gendarmerie zu alarmieren. Es war immer noch besser, ins Gefängnis zu müssen, als für zwei verlorene Leben verantwortlich zu sein. Wenn sie jetzt gleich losrannte, mochte sie schon Hilfe geholt haben, bevor etwas Schreckliches passierte.
Sie holte tief Luft, um sich auf einen schnellen Lauf vorzubereiten.
Einen Augenblick später trat sie tiefer in den Schatten zurück. Ihr lief es kalt den Rücken herunter.
„Ist sicher nicht das, womit sich die Herren normalerweise beschäftigen“, schnarrte eine ihr bekannte Stimme mit preußischem Akzent. „Und mich soll der Teufel holen, wenn ich weiß, warum ich Sie da hinbringe.“
Aus dem regenschwarzen Schatten traten drei Männer, die zielstrebig in die gleiche Richtung liefen, in die von Rosberg verschwunden war. Sie passierten eine flackernde Straßenlaterne, und einen Augenblick lang konnte man sie deutlich erkennen. Der hochgewachsene Mörder und zwei Mönche. Sie wusste, wer das war. Noch drei Feinde auf dem Weg zu Clarissa.
Was sie davon halten sollte, wusste sie nicht. Doch dass es nichts Gutes bedeutete, war klar. Auf einmal erstarrte der eine Mönch in der Bewegung und blickte genau in ihre Richtung in die Schatten. Würde er wissen, wer sie war? Oder
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