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Schwur des Blutes

Titel: Schwur des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madea Stephanie
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noch tiefer in den Abgrund zu zerren, falls er keine Antwort fand, was zu erwarten blieb. Dennoch hoffte er auf das Wunder einer Eingebung, einen Hinweis, eine Stütze. Er sollte das Zwiegespräch nicht unnötig hinausschieben. Er sandte seine Sinne aus, ohne sich zu rühren. Wie vermutet hielt sich höchstens Rotwild in dieser Gegend auf. Die dichten Nadelwälder im Hinterland von San Francisco beschützten die Gruft, solange sie bestanden. Er gab sich der Hoffnung hin, dass sie viele weitere Dekaden überdauerten, damit seine Familie dereinst im ewigen Schlaf zusammenfand. Selbst wenn ihm die goldverzierte Familienkatakombe der Fontaines in New Orleans nicht verwehrt wäre, wünschte er, genau hier bei seinem Dad im Wald beerdigt zu werden.
    Er warf vorsichtshalber seine Pillen ein, schluckte und räusperte sich. Genug Zeit geschunden. Er beugte Kopf und Rücken und trat durch die verborgene Nische in die Gruft. Finsternis hüllte ihn ein. Sogar seine Augen erkannten nur schemenhaft den Durchbruch, den er vor 93 Jahren außer sich vor Trauer gegraben hatte. Seine Erinnerungen glichen verschwommenen Lichtblitzen, doch meinte er zu erkennen, dass niemand den Ort entweiht hatte. Dad hatte in Frieden ruhen dürfen. Eine Erleichterung. Obwohl Zeemore sich über Besuch von seiner Frau oder Josephine zweifellos gefreut hätte. Timothy presste die Lippen aufeinander und ließ sich über das Felsgeröll einige Körperlängen tief in das Grab hinab.
    Die Luft roch schimmelig, die Erde unter seinen dicken Sohlen schmatzte leise. Er hätte damals eine bessere Stätte suchen müssen, eine würdigere. Denn entgegen dem gesamten aristokratischen Clan der Fontaines fand Timothy, dass der angeheiratete Zeemore derjenige mit der gewissen Würde war, mit der sich all die anderen brüsteten. Aber er wollte heute nicht über die Snobs nachdenken, die seine Familie zerstört hatten. Es gab Wichtigeres. Er bewegte sich gekrümmt vorwärts, immer bedacht, sich zwischen dem nachrutschenden Geröll und den spitzen Steinen nicht das Genick zu brechen. Wie eine Luftblase im Felsen weitete sich das schmale Einstiegsloch zu einer niedrigen Höhle. Er erinnerte sich nicht, wie er den schweren Eichensarg hier hinunterbekommen hatte. Die fast ebene Fläche, die er mühsam aus dem Felsgestein geschlagen hatte, lag unübersehbar vor ihm. Ohne das Podest zu berühren, auf das er den Sarg gebettet hatte, ging er in die Hocke und faltete die Hände. Ein dunkler Fleck zierte die Plattform. Das Einzige, was von Zeemore übrig geblieben war. Timothys Kiefer zuckte wie unter Strom. Es auf die schlechte Luft zu schieben wäre müßig, er wusste, dass er am Ende seiner psychischen Kräfte war. Bevor er die Fassung verlor, unterband er gewohnheitsgemäß seine Gefühle und konzentrierte sich auf den Grund seiner Aufwartung. Weder Aberglaube noch Spiritismus schreckten ihn, dennoch ließ ihn der Gedanke nicht los, er würde Dad das Dasein im Jenseits gründlich verderben, wenn er die auf ihm lastende Frage stellte. Doch wie sollte er dem Schrecken sonst entgegentreten? Er schloss die Lider.
    „Hallo Dad. Bitte entschuldige, dass ich dich erst jetzt besuche. Ich …“
„… wurde aufgehalten? Konnte nicht früher kommen? Jemand hinderte mich …“
Timothy schenkte der weiblichen Stimme keine Beachtung und setzte erneut an. „Also, Mom sieht bezaubernd aus wie eh
    und je. Dein Tod war ein harter Schlag, aber du kennst sie ja. Sie ist nun in einer …“
„Anstalt für Verrückte? In Gewahrsam?“
„… großen Villa, in der sie fürsorglich betreut wird. Die Unterbringung ist wirklich luxuriös.“
„Und wird von einem Freund bezahlt …“
„Und Josephine, du wirst lachen, ist verheiratet. Alexander ist ein liebenswerter Kerl. Du würdest ihn mögen.“ „Yep, die Familie Baker sorgt gut für deine Schwester und deine Mom. Wie wäre es, wenn du zulassen würdest, dass sie es auch für dich tun?“ Timothy knirschte mit den Zähnen, versuchte, die wohlbekannte, unabschaltbare Stimme in seinem Schädel zu ignorieren.
    „Dad, mir geht seit einer Weile unser letztes Gespräch im Kopf herum. Mir ist da nämlich etwas …“ „Grauenhaftes? Monströses?“
„… nicht so Schönes passiert.“ Timothy rieb sich die geschlossenen Lider. „Weißt du, ich möchte dich nicht belügen.“ „Tust du das nicht die ganze Zeit?“
„Sei still!“ Timothy schnaufte, weil er sich immer wieder aus der Fassung bringen ließ. Nein, er belog ihn nicht. Er

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