Schwur fuer die Ewigkeit
mit Shanes Kreuz-Anhänger herumspielte. »Du willst noch ins Labor?«
»Was? Oh, ja genau.«
Er wusste, dass sie log, das merkte sie, und einen Augenblick lang war sie sich sicher, dass er sie zur Rede stellen würde. Aber stattdessen sagte er: »Bitte versprich mir einfach, dass du heute nicht da rausgehst und versuchst, deinen Freund zu retten. Wieder einmal.«
Sie nahm seine Hand. »Dad. Versuch jetzt nicht zu sagen, dass ich zu jung bin. Ich weiß, was ich für Shane empfinde.«
»Das versuche ich gar nicht«, sagte ihr Vater. »Ich will dir nur sagen, dass es im Moment in dieser Stadt gefährlich ist, in irgendeinen Jungen verliebt zu sein. In diesen Jungen verliebt zu sein, ist Selbstmord. Schon unter normalen Umständen wäre ich davon nicht begeistert und das hier ist alles andere als normal.«
Das konnte man wohl sagen. »Ich werde nichts Dummes anstellen«, versprach sie. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob sie ausgerechnet dieses Versprechen halten konnte. Sie würde mit Freuden etwas Dummes anstellen, wenn ihr das einen einzigen Augenblick mit Shane verschaffen würde. »Dad, ich muss jetzt los. Danke für die Kette.«
Er starrte sie so intensiv an, dass sie für einen Moment glaubte, er würde sie in ihr Zimmer einsperren oder so. Nicht dass sie dann keinen Ausweg gefunden hätte, aber sie wollte nicht, dass er sich ihretwegen noch schlechter fühlte, als es ohnehin der Fall war.
Schließlich seufzte er und schüttelte den Kopf. »Nichts zu danken, Schatz. Alles Gute zum Geburtstag. Pass auf dich auf.«
Sie stand einen Augenblick lang da und beobachtete, wie er in seinem Stück Geburtstagskuchen herumstocherte. Er schien keinen Hunger zu haben. Er verlor immer mehr Gewicht und er sah wesentlich älter aus als noch vor einem Jahr. Er fing ihren Blick auf. »Claire, es geht mir gut . Mach nicht so ein Gesicht.«
»Was für ein Gesicht?«
Ahnungslosigkeit funktionierte bei ihm nicht. »Dieses Mein-Dad-ist-krank-und-ich-habe-ein-schlechtes-Gewissen-weil-ich-weggehe- Gesicht.«
»Ach, das Gesicht.« Sie versuchte zu lächeln. »Sorry.«
In der Küche schwirrte ihre Mom herum wie eine Biene, die zu viel Espresso intus hatte. Als Claire die Teller in die Spüle stellte, plapperte ihre Mutter wie ein Wasserfall - über das Kleid, von dem sie einfach wusste, dass Claire darin umwerfend aussehen würde, und dass sie eigentlich diese Woche noch gepflegt essen gehen und stilvoll feiern sollten. Dann quasselte sie weiter über ihre neuen Freunde in dem Club, in dem sie Bridge spielten und eine Art Gin Rummy und manchmal - ganz wagemutig - Texas Hold'em. Sie sprach über alles, nur nicht darüber, was um sie herum vorging.
Morganville sah wie eine ganz normale Stadt aus, aber das täuschte. Leute von außerhalb kamen und gingen und merkten nichts davon; selbst die meisten Collegestudenten blieben strikt auf dem Campus und verbrachten hier ihre Zeit, ohne zu wissen, was wirklich los war - die Texas Prairie University sorgte dafür, dass sie eine Welt für sich selbst blieb. Für die Leute, die hier lebten, für die Einheimischen, war Morganville ein Gefängnis und sie waren die Insassen; und sie hatten alle zu viel Angst, das offen auszusprechen. Claire hörte ihrer Mutter zu, wobei ihre Geduld dünn wurde wie Plastikfolie, die bis zum Zerreißen gespannt war; schließlich konnte sie ein hastiges »Danke, Mom« dazwischenquetschen und ein »Bin bald zurück, hab dich lieb, Mom!«
Ihre Mutter hielt inne und kniff die Augen zusammen. »Claire«, sagte sie in einem völlig anderen Tonfall - einem aufrichtigen Tonfall. »Ich möchte nicht, dass du heute rausgehst. Ich hätte gern, dass du zu Hause bleibst. Bitte.«
Claire blieb im Türrahmen stehen. »Ich kann nicht, Mom«, sagte sie. »Ich werde bei alldem nicht einfach zuschauen. Wenn ihr das wollt, kann ich das verstehen, aber so habt ihr mich nicht aufgezogen.«
Claires Mom zerbrach einen Teller. Sie schlug ihn einfach gegen die Spüle, sodass er in ein Dutzend scharfkantiger Scherben zersprang, die über die Küchentheke und den Boden schossen.
Mit bebenden Schultern stand sie da.
»Es ist okay«, sagte Claire und hob rasch die Scherben vom Boden auf und sammelte die übrigen von der Arbeitsfläche zusammen. »Mom - es ist okay . Ich habe keine Angst.«
Ihre Mutter lachte. Es war ein brüchiges, hysterisches kleines Lachen und es machte Claire Angst bis hinunter in die kleine Zehe. »Du hast keine Angst? Nun, ich habe Angst, Claire. So große
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