Schwur fuer die Ewigkeit
Angst, wie ich noch nie in meinem Leben hatte. Geh nicht . Nicht heute. Bitte bleib zu Hause.«
Claire stand einige Sekunden da, dann holte sie tief Luft und warf das zerbrochene Porzellan in den Mülleimer.
»Es tut mir leid, aber ich muss das wirklich tun«, sagte sie. »Mom...«
»Dann geh.« Ihre Mutter wandte sich wieder der Spüle zu und nahm einen weiteren Teller, den sie in das Seifenwasser tauchte und besonders heftig schrubbte, als wollte sie die rosa Rosen vom Porzellan abwaschen.
Claire floh in ihr Zimmer, hängte das Kleid in den Schrank und holte ihren verbeulten Rucksack aus der Ecke. Als sie hinausging, fiel ihr Blick auf ein Foto, das am Spiegel klebte. Ihr offizielles Glass-House-Foto: Shane, Eve, sie und Michael; auf dem Foto lachten sie alle. Es war das einzige Foto, das sie hatte, auf dem sie alle zusammen abgebildet waren. Sie war froh, dass es eines war, auf dem sie alle glücklich aussahen, auch wenn es überbelichtet und ein wenig verschwommen war. Blöde Handykameras.
Einem Impuls folgend schnappte sie sich das Foto und steckte es in ihren Rucksack.
Der Rest des Zimmers sah aus, als hätte sie eine Zeitreise gemacht - Mom hatte alle Sachen aus der Highschool und der Junior High aufbewahrt, all ihre Stofftiere, Poster und bonbonfarbenen Tagebücher. Ihre Pokémon-Karten und ihren Chemie- und Physikbaukasten. Die Sterne und Planeten an der Decke, die im Dunkeln leuchteten. All ihre Zertifikate und Medaillen und Auszeichnungen.
Es fühlte sich an, als wäre das alles in weiter Ferne, als würde es jemand anderem gehören. Jemandem, den keine glänzende Zukunft als Schoßhund des Bösen erwartete und der nicht für immer in Morganville festsitzen würde.
Abgesehen von ihren Eltern war das Foto wirklich das Einzige im ganzen Haus, was sie vermissen würde, wenn sie nie wieder zurückkehren würde.
Und das war - unerwarteterweise - irgendwie traurig.
Claire blieb einen langen Moment in der Tür stehen und blickte auf ihre Vergangenheit zurück; dann machte sie die Tür zu und ging dem entgegen, was die Zukunft für sie bereithielt.
2
Morganville sah nicht viel anders aus als damals, als Claire in die Stadt gekommen war, und das fand sie wirklich sehr seltsam. Man hätte schließlich erwarten können, dass es wenigstens ein paar sichtbare Veränderungen gegeben hätte, als die Crème de la Crème des Bösen die Macht übernommen hatte.
Stattdessen ging das Leben weiter - die Menschen gingen in die Kneipe, zur Arbeit, zur Schule, in die Videothek. Der einzige wirkliche Unterschied bestand darin, dass niemand mehr nach Einbruch der Dunkelheit draußen herumlief. Nicht einmal die Vampire, soweit sie wusste. Die Nacht war Mr Bishops Jagdzeit.
Selbst das war aber keine so große Veränderung, wie man annehmen würde. Vernünftige Leute waren in Morganville nie nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs, es sei denn, es ging nicht anders. Das war nicht zuletzt eine Frage des Instinkts.
Claire schaute auf die Uhr. Elf Uhr vormittags - und sie musste wirklich nicht ins Labor. Eigentlich war das Labor der letzte Ort, an dem sie heute sein wollte. Sie wollte ihren vermeintlichen Boss Myrnin nicht sehen oder gar sein abschweifendes, irres Geschwätz oder seine Fragen, weshalb sie so böse auf ihn war, über sich ergehen lassen. Er wusste genau, warum sie böse war. So verrückt war er auch wieder nicht.
Ihr Dad hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie hatte vor, den Tag damit zu verbringen, Shane zu helfen.
Erster Schritt: zum Bürgermeister von Morganville gehen - Richard Morrell.
Claire hatte zwar kein Auto, aber so groß war Morganville auch wieder nicht und sie ging gern zu Fuß. Das Wetter war noch immer gut - auch tagsüber war es jetzt ein wenig kühl, aber eher frisch als eisig. Das verstand man im westlichen Texas unter Winter, zumindest bis die Schneestürme kamen. Es gab einige wenige Herbsttage, in denen sich die dunkelgrünen Blätter an den Rändern ungesund gelb färbten. Sie hatte gehört, dass der Herbst in anderen Teilen des Landes und der Welt eine herrliche Jahreszeit sein soll, aber hier in der Gegend war es im Grunde wie eine halbe Stunde Pause zwischen glühender Sommerhitze und eiskaltem Winter.
Auf der Straße wurde sie von den Leuten erkannt. Das gefiel ihr nicht und sie war nicht daran gewöhnt; Claire hatte immer zum großen Heer der anonymen Langweiler gehört, es sei denn es gab eine Wissenschaftsmesse oder es ging darum, irgendeine akademische Auszeichnung
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